
Editorial
Eskalierende Konfl ikte, Krisen und
Kriege sind in vielen Teilen der Welt
verantwortlich für unermessliches men-
schliches Leid. Jedes Jahr sterben mehr als hun-
derttausende Menschen durch bewaff nete Aus-
einandersetzungen und unzählige mehr an
ihren Folgen. Doch auch jenseits der erschre-
ckenden Kriegs- und Konfl iktszenarien, die
sich vor allem in den ärmeren Regionen der
Welt abspielen, sind weltweit Gesellschaften
von Unfrieden und Gewaltkonfl ikten betrof-
fen. Gewalt in Schulen und Familien, interkul-
turelle und interreligiöse Konfl ikte, fremden-
feindliche und rassistische Übergriff e, ge-
schlechtsspezifi sche Diskriminierung und
Gewalt sowie Jugendgewalt und Gewaltkrimi-
nalität gehören zu den Alltagserfahrungen von
Menschen und Gesellschaften in vielen Län-
dern. Und oftmals sind alltägliche Gewaltphä-
nomene auf der Mikroebene mit den größeren
gesellschaftlichen Konfl iktlinien auf der Ma-
kroebene verbunden.
Der Friedenspädagogik und Friedensbil-
dung wird bei der Vorbeugung, Überwindung
und Nachbereitung von Kriegen und gewalt-
vollen Konfl ikten zunehmend eine Schlüssel-
funktion zugeschrieben. Das Interesse an ihr ist
in den letzten Jahren weltweit signifi kant ange-
stiegen. Doch trotz oder gerade wegen dieser
hohen Wertschätzung und Bedeutung sind die
gegenwärtigen friedenspädagogischen Dis-
kurse und Praktiken durch verschiedene Merk-
male gekennzeichnet, die als Defi zite, Heraus-
forderungen oder Konfusionen der Friedens-
bildung in Erscheinung treten.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich
diese Ausgabe der ZEP mit gegenwärtigen Her-
ausforderungen der Friedensbildung und Frie-
denspädagogik. Dabei haben wir festgestellt,
dass sich beide Begriff e nicht eindeutig vonein-
ander abgrenzen lassen. Somit umfassen in
unserem Verständnis sowohl Friedensbildung
als auch Friedenspädagogik die Gesamtheit
von theoretischen Fundierungen, konzeptio-
nellen Ansätzen und praktischen Umsetzungen
friedenspädagogischer und friedensbildender
Maßnahmen. Von daher werden wir beide Be-
griff e synonym verwenden.
Der einführende Artikel von Norbert
Frieters-Reermann gibt einen Einblick in die
gegenwärtigen Schwachstellen, Diskurse und
Herausforderungen friedenspädagogischen Den-
kens und Handelns und liefert Argumente und
ein Angebot für eine stärkere theoretische Fun-
dierung der Friedenspädagogik.
Aus dem Blickwinkel des Südens setzt
sich Loreta Navarro-Castro mit der Vielfalt
friedenspädagogischer Konzeptionen ausein-
ander und entfaltet einen ganzheitlichen An-
satz der Friedensbildung aus philippinischer
Perspektive.
Volker Lenhart stellt in seinem Beitrag
die Ergebnisse einer empirischen Untersu-
chung über friedensbauende Bildungsmaß-
nahmen in zehn von bewaff neten Konfl ikten
betroff enen Ländern vor. Diese deskriptiv-
statistische Erhebung ist noch keine Evalu-
ationsstudie, bereitet eine solche aber vor und
reagiert somit auf das oftmals beklagte Evalu-
ationsdefi zit innerhalb der Friedensbildung.
Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich mit
diesem Evaluationsdefi zit und der mangeln-
den wissenschaftlichen Begleitung und Erfor-
schung von friedenspädagogischen Maßnah-
men. In diesem Artikel skizziert Alamara
Karimi methodische Probleme und Heraus-
forderungen der friedenspädagogischen For-
schung und stellt darauf bezogene Lösungsan-
sätze vor.
Uli Jäger stellt abschließend den Ansatz
einer Multi-Track-orientierten Friedenspäda-
gogik vor, durch den einige der gegenwärtigen
Herausforderungen und Diskurse innerhalb
der Friedenspädagogik aufgegriff en und für
eine international ausgerichtete, zeitgemäße
Friedenspädagogik fruchtbar gemacht werden.
Diese fünf Beiträge bearbeiten nur ei-
nen Ausschnitt der gegenwärtigen Kontrover-
sen und Herausforderungen der internationa-
len Friedensbildung. Dabei erfahren kon-
zeptionelle Konfusionen, theoretische Schwach-
stellen und Evaluierungsdefi zite der Frie-
denspädagogik eine besondere Berück-
sichtigung. Andere wichtige Aspekte, wie die
wenig ausgeprägte Geschlechterdiff erenzie-
rung in der Friedenspädagogik oder die Frage
nach Qualitätsstandards und Qualitätskrite-
rien der Friedensbildung, werden nur gestreift
und verweisen auf die Notwendigkeit sich den
damit verbundenen Fragestellungen an ande-
rer Stelle nochmals intensiver zuzuwenden.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern
eine anregende Lektüre.
Norbert Frieters-Reermann, Volker Lenhart
Aachen/Heidelberg im Dezember 2010
Impressum
ZEP – Zeitschrift für internationale Bildungs-
forschung und Entwicklungspädagogik
ISSN 1434-4688
Herausgeber:
Gesellschaft für interkulturelle Bildungsforschung
und Entwicklungspädagogik e.V. und KommEnt
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