Kruse_2025_Zur_Bedeutung_und_Kritik

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Kruse, Norbert
Zur Bedeutung und Kritik der Fallarbeit in der universitären Lehrkräftebildung
für den Deutschunterricht der Grundschule
Kramer, Rolf-Torsten [Hrsg.]; Rabe, Thorid [Hrsg.]; Wittek, Doris [Hrsg.]: Fallverstehen und Reflexivität?
Beiträge der QLB zur Professionalisierung im Lehramtsstudium. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt
2025, S. 125-149. - (Studien zur Professionsforschung und Lehrer:innenbildung)
Quellenangabe/ Reference:
Kruse, Norbert: Zur Bedeutung und Kritik der Fallarbeit in der universitären Lehrkräftebildung für den
Deutschunterricht der Grundschule - In: Kramer, Rolf-Torsten [Hrsg.]; Rabe, Thorid [Hrsg.]; Wittek, Doris
[Hrsg.]: Fallverstehen und Reflexivität? Beiträge der QLB zur Professionalisierung im Lehramtsstudium.
Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 125-149 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-328369 -
DOI: 10.25656/01:32836; 10.35468/6156-05
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-328369
https://doi.org/10.25656/01:32836
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Norbert Kruse
Zur Bedeutung und Kritik der Fallarbeit
in der universitären Lehrkräftebildung
für den Deutschunterricht der Grundschule
Zusammenfassung
Die Arbeit mit Fällen hat in der universitären Lehrkräftebildung in den letzten
gut 30 Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. In diesem Beitrag
wird am Beispiel der deutschdidaktischen Lehrkräftebildung für die Grund-
schule die Auassung vertreten, dass Fallarbeit eine Antwort auf spezische
Dysfunktionalitäten im Verhältnis von Universität und Schule ist. Die zentrale
ese lautet, dass sich in der universitären Lehrkräftebildung zwei Ansprüche
mischen, die in ihrer widersprüchlichen Gleichzeitigkeit und in ihrem Zusam-
menhang mit Hilfe der Fallarbeit eingelöst werden sollen. Mit der Fallarbeit
soll erstens in domänenspezischer Weise die Wissenschaftlichkeit gesichert
werden, obwohl es im Vergleich zu etablierten wissenschaftlichen Fächern in
der Deutschdidaktik der Grundschule keinen gemeinsamen Gegenstand gibt.
Gleichzeitig soll– zweitens– eine größere Nähe zur Unterrichtspraxis hergestellt
und das eorie-Praxis-Problem sinnvoller justiert werden. In meinen Ausfüh-
rungen wird im Schwerpunkt für eine deutschdidaktisch-wissenschaftliche Fall-
arbeit in der Lehrkräftebildung für Grundschulen plädiert. Die Bedeutung der
Überlegungen für die Lehrkräftebildung in anderen Fächern und Schulstufen
wird in einigen Abschnitten implizit thematisiert, ihre spezische Geltung für
andere Schulfächer und Schulstufen ist aber ein eigenes ema und muss an
anderer Stelle geprüft werden.
Schlagworte: Deutschdidaktik, Fallarbeit, Lehrkräftebildung, Grundschule
Abstract
Working with cases has experienced a remarkable upswing in university teacher
training over the last 30 years or so. Using the example of German didactic
teacher training for primary schools, this article argues that casework is a res-
ponse to specic dysfunctionalities in the relationship between university and
school. e central thesis is that two demands are mixed in university teacher
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training, which are to be realised in their contradictory simultaneity and in their
context with the help of casework. Firstly, casework is intended to ensure acade-
mic rigour in a domain-specic manner, although there is no common subject
matter in primary school German didactics compared to established academic
subjects. At the same time– secondly– a greater proximity to teaching practice
is to be established and the theory-practice problem is to be adjusted in a more
meaningful way. e focus of my remarks is to argue in favour of German
didactic-scientic case work in teacher training for primary schools. e signi-
cance of the considerations for teacher training in other subjects and school
levels is implicitly addressed in some sections, but their specic validity for
other school subjects and school levels is a separate topic and must be examined
elsewhere.
Keywords: Didactics of German, case work, teacher training, primary school
1 Einleitung
Schon vor 20 Jahren resümierte Friederike Heinzel für die Pädagogik, dass sich nach
den zögerlichen 1970er Jahren die wissenschaftliche Arbeit mit Fallstudien ab den
1980er Jahren ausgebreitet habe (Heinzel 2003). Seitdem sei, so die Grundschul-
pädagogin damals, zu beobachten, dass vor allem mit Verfahren aus der „sozialwis-
senschaftlichen Hermeneutik“ an einem Gegenentwurf zur „empirisch-analytischen
Forschung“ (Heinzel 2003, S.19) gearbeitet werde (vgl. dazu auch Beck et al. 2000).
Aktuell hat sich die Arbeit mit dem „Fall“ (vgl. z.B. Reh et al. 2010) in verschiedenen
Spielarten in der Bildungsforschung und der Lehrkräftebildung einen festen Platz
erobert. Davon zeugen zahlreiche in den letzten Jahren erschienene Monograen,
Sammelbände und Studien in der Pädagogik (z.B. Hummrich et al. 2016; Fabel-
Lamla et al. 2020 Wittek, Rabe&Ritter 2021a) ebenso, wie ganze Buchreihen, z.B.
die „Pädagogische Fallanthologie“ (hrsg. v. Gruschka, Reh&Wernet 2008 bis 2016)
oder deren Nachfolgereihe „Edition Kasuistik“ (hrsg. v. Böder, Hübler, Hünig&Kö-
nig ab 2023). Dass Fallarbeit mit ihrer Ausrichtung an qualitativ-interpretativen For-
schungsdesigns nicht mehr ausschließlich als „Gegenentwurf“ zu begreifen ist, lässt
sich daran ablesen, dass in der empirisch-statistisch ausgerichteten Bildungsforschung
in der Lehrkräftebildung ebenfalls mit Einzelfällen vor allem unter Nutzung von Vi-
deostudien gearbeitet wird (vgl. dazu Kunze 2020, Syring 2021).1
1 Die entstandene Vielfalt und Unübersichtlichkeit der ‚Fallarbeit‘ lässt mittlerweile das Bedürfnis
entstehen, eine „disziplinäre Verortung der Kasuistik in der Schulpädagogik“ (Heinzel 2021, S.41)
vorzunehmen und mit einem „ordnende(n) Überblick zur Kasuistik in Forschung und Lehre der
erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Disziplinen“ (Wittek et al. 2021b, S.7) die
wissenschaftliche Arbeit mit Fällen und deren Bedeutung für die Bildung zukünftiger Lehrkräfte zu
reektieren.
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Mit Verzögerung ist die germanistisch orientierte Fachdidaktik Deutsch von dieser
Entwicklung nicht unberührt geblieben (z.B. Lindow&Wieser 2013; Pieper et al.
2014; Wieser 2015; Bredel&Pieper 2021). Allerdings schon weitaus früher kam es
in der Domäne des Schriftspracherwerbs in der Grundschulpädagogik zu Fallstudien
von Spontanleser:innen und–schreiber:innen, weil die Perspektiven von Kindern
auf die Schrift wichtig wurden, um ihre Erfahrungen mit dem Lesen und Schreiben
herauszuarbeiten (vgl. Blumenstock 1986; Scheerer-Neumann et al. 1986). Typisch
ist für diesen Zeitraum beispielsweise die Fallstudie von Brinkmann (1994), in der
die Schreibversuche von Brinkmanns Tochter Lisa in der Vorschulzeit vollständig
dokumentiert und analysiert wurden. Und transkribierte Audiodokumente aus dem
Unterricht sowie schriftliche Berichte von Lehrkräften wurden für die Lehrkräfte-
bildung schon 1994 mit den „Schlüsselszenen zum Schrifterwerb“ (Dehn 1994) ge-
nutzt. Im Kontext des BLK-Modellversuchs „Elementare Schriftkultur als Prävention
von LRS und Analphabetismus bei Grundschulkindern“ (Hüttis-Gra&Widmann
1996) entstanden auch die „Geschichten vom Schulanfang“ (Wolf-Weber&Dehn
1993), die als aufgeschriebene Beobachtungen und Berichte, die Lernmöglichkeiten
erschließen sollen, und heute als Sammlung von Dokumenten ethnograscher Feld-
forschung bezeichnet werden würden (vgl. Breidenstein et al. 2015, S.35f.).
Mit diversen eoriebezügen und unterschiedlichen Termini wie Kasuistik, fall-
basiertes Arbeiten, Fallanalyse, Fallstudie oder Fallvignette ist „die handlungsent-
lastete, gedankliche Auseinandersetzung mit qualitativem Datenmaterial“ (Kunze
2020, S.29f.) nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehrkräftebil-
dung zu einem Kernanliegen universitärer Seminare geworden (vgl. auch Sirtl
2021). Das gilt für alle Schularten und Schulformen, aber vor allem auch für die
Grundschulpädagogik und für viele Fachdidaktiken (Wittek et al. 2021b). Doch
wie kommt es zu dieser Orientierung an der Kasuistik und zur Arbeit mit Fällen
und welche Honungen bzw. Ansprüche werden damit verbunden? Die kurze
Antwort lautet, dass mit der Fallarbeit vor allem in der Lehrkräftebildung für den
Deutschunterricht an Grundschulen am Anspruch der Wissenschaftsorientierung
festgehalten und zugleich das drängende und die Lehrkräftebildung nachhaltig
begleitende eorie-Praxis-Problem in Seminaren bearbeitet werden kann. Denn
mit Dokumenten aus dem Unterricht, Kindertexten, Erfahrungsberichten, Ge-
dächtnisprotokollen, Ausschnitten von transkribierten oder videograerten Un-
terrichtsaufzeichnungen etc. werden für die Studierenden Formen unterrichtli-
cher Interaktion und Kommunikation als vermeintliche oder wirkliche Nähe zur
unterrichtlichen Wirklichkeit (Praxis) greifbar, die im Kontext wissenschaftlichen
Wissens (eorie) distanziert reektiert und bearbeitet werden.
In diesem Beitrag soll nun skizziert werden, wie die Deutschdidaktik der Grund-
schule die Arbeit mit Fällen gegenwärtig in der universitären Lehrkräftebildung
nutzt und welche Probleme mit den Versuchen zur Absicherung der Wissen-
schaftlichkeit der Lehrkräftebildung und der Konzipierung der eorie-Praxis-
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Problematik mit Hilfe der Fallarbeit verbunden sind. Dabei soll es nicht um eine
Bestandsaufnahme gehen, sondern um die kritische Sicht und um die damit ver-
bundenen Möglichkeiten universitärer Lehrkräftebildung.
2 Wissenschaftsorientierung und das eorie-Praxis-Problem
in der Lehrkräftebildung
Man muss sich für die Frage nach dem Aufstieg der Fallarbeit vor Augen führen,
dass die Wissenschaftlichkeit der Lehrkräftebildung in der Grundschulpädagogik
und in der grundschulbezogenen Deutschdidaktik seit den 1970er Jahren einen stei-
nigen Weg zwischen Unterrichtspraxis und eorie hinter sich hat. Die Entwick-
lung der Grundschulpädagogik und der Deutschdidaktik mit ihrer Herkunft von
praktischen Unterrichtslehren zur Unterweisung von Kindern und der Ausrichtung
auf Unterrichtsmethoden zum Lesen, Rechnen und in der Heimatkunde zur nun-
mehr anerkannten universitären Disziplin wird heute völlig zu Recht als unbedingter
Fortschritt zu einer modernen Lehrkräftebildung betrachtet (vgl. dazu Einsiedler
2015, S.205.). Deshalb wird auch eine wissenschaftlich ausgerichtete Bildung von
Deutschlehrkräften für die Grundschule an Universitäten– mit Ausnahmen2– seit
mehr als 50 Jahren im Großen und Ganzen nicht in Frage gestellt.
In Frage steht aber, wie dieser Anspruch auf Wissenschaftlichkeit mit einer e-
orie zu verbinden ist, die sich auf die Praxis des Unterrichts bezieht. Fraglich ist,
genauer gesagt, wie die akademische Konzipierung von eorie und Empirie ins
Verhältnis zur außerakademischen Praxis und eorie des wirklichen Unterrichts
in seiner ganzen Komplexität, Widersprüchlichkeit und Unvorhersehbarkeit ge-
setzt werden kann. In der Antwort auf diese Frage ist ein wichtiger Grund für den
Aufstieg der Fallarbeit in der universitären Lehrkräftebildung zu nden. Dieser
neue Weg wird nachvollziehbar, wenn man zwischen der älteren Ausrichtung der
Deutschdidaktik auf die germanistischen Fächer und der jüngeren Orientierung
zur Etablierung einer deutschdidaktischen empirischen Unterrichtsforschung zu-
nächst einen Blick auf die Versuche wirft, den Anspruch der Wissenschaftlichkeit
mit einer theoretischen Struktur zu verbinden, die auf Praxis gerichtet ist.
2.1 eorie und Praxis des Deutschunterrichts als angewandte
und didaktisch reduzierte Germanistik
Zweifelsohne haben die Arbeiten an einer eigenständigen wissenschaftlichen
Deutschdidaktik mit den internationalen Vergleichsstudien, die zur Kontrolle der
2 Zu erinnern ist beispielsweise an die „10 esen zur Hochschulpolitik“ (Wissenschaftsrat 1993),
in denen zur Entlastung der Universitäten empfohlen wurde, die Ausbildung von Grundschulehr-
kräften an die Fachhochschulen zu verlegen. In Baden-Württemberg ndet die Ausbildung von
Grundschullehrkräften bekanntlich an Pädagogischen Hochschulen statt.
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摘要:

Kruse,NorbertZurBedeutungundKritikderFallarbeitinderuniversitärenLehrkräftebildungfürdenDeutschunterrichtderGrundschuleKramer,Rolf-Torsten[Hrsg.];Rabe,Thorid[Hrsg.];Wittek,Doris[Hrsg.]:FallverstehenundReflexivität?BeiträgederQLBzurProfessionalisierungimLehramtsstudium.BadHeilbrunn:VerlagJuliusKlinkh...

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