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Ingrid Miethe
nach Aufhebung der Sozialistengesetze, womit es auch leichter wurde, auf tages-
politische Auseinandersetzungen einzugehen.6 Bei brisanten emen wurden –
wie in anderen sozialdemokratischen Publikationsorganen auch (vgl. Uhlig, 2006,
S. 96) – viele Beiträge anonym bzw. unter Pseudonym publiziert. Dies betrit
auch stark pädagogische Beiträge, da ein öentliches Bekenntnis zur Sozialdemo-
kratie leicht zur Entlassung aus dem Schuldienst führen konnte.
Die GL gilt als erste sozialistische Frauenzeitschrift (Sachse, 2011, S. 87). 1901
wurde die Entscheidung getroen, die Zeitschrift „in das Eigentum der Partei“
(Protokoll, 1901, S. 32) zu übernehmen, womit sie oziell „parteieigenes Frau-
enorgan der deutschen Sozialdemokratie“ (Sachse, 2011, S. 11) wurde. Nach-
dem Zetkin 1907 zur Sekretärin der Fraueninternationale ernannt wurde, wurde
die GL deren ozielles Organ (Sachse, 2011, S. 108). Allerdings erschien die
Zeitschrift weiterhin nur auf Deutsch, so dass sie international keine große Ver-
breitung haben konnte. Der Schwerpunkt lag eher darauf, eine deutschsprachige
Leserschaft über internationale Entwicklungen zu informieren, eine Aufgabe, die
sie durch Informationen über internationale Ereignisse wie aber auch Vermittlung
internationaler Literatur durchaus umfangreich übernahm.
Zetkin konnte die Zeitung weitgehend nach ihren eigenen Vorstellungen gestal-
ten – „alles vereint in der einen Person, die gleichzeitig Herausgeberin, Chefredak-
teurin und Verfasserin zumindest am Anfang nahezu aller Beiträge war“ (Karstedt,
1992, S. 15; Sachse, 2011, S. 97). Die Zeitschrift war durch ein sehr hohes intel-
lektuelles Niveau gekennzeichnet und übernahm damit die „vorrangige Funktion
der Heranbildung von Funktionärinnen“ (Staude, 1974, S. 431). Aufgrund zahl-
reicher Kritik an dieser Ausrichtung musste Zetkin 1905 Veränderungen vorneh-
men, indem mit der Einführung der beiden populär gehaltenen Beilagen „Für
unsere Kinder“ und „Für unsere Mütter und Hausfrauen“ breitere Zielgruppen
anvisiert wurden (Staude, 1974, S. 431; Koch, 1963, S. 12). Die Aufnahme der
Beilage „Für unsere Mütter und Hausfrauen“ war ein Kompromiss zwischen dem
Wunsch Zetkins, ein anspruchsvolles auf die Bedarfe von Funktionärinnen zuge-
schnittenes Organ aufrechtzuerhalten und des wiederholt vorgebrachten Wun-
sches anderer Frauen darauf, dass die GL „leichter verständlich und volkstümli-
cher“ geschrieben werde und „mehr Unterhaltungssto biete“ (Bericht über die
sozialdemokratische Frauenkonferenz in München am 13. und 14. September
1902, S. 307)7. Dass diese Neuausrichtung für Zetkin eher eine Niveauabsen-
kung bedeutete, wird daran deutlich, dass sie als Zielgruppe für die Beilagen die
„indierenten, rückständigen Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen“8 benennt. Diese
Gruppe galt innerhalb der „politischen Rangordnung“ (Bendele, 1979, S. 12)
6 Für den Einuss der Sozialistengesetzte auf die sozialdemokratische Presse siehe Uhlig (2006,
S.96).
7 vgl. auch den Beitrag von Luise Zietz „Zur Frauenkonferenz in Bremen“, GL 14(17) 1904 S. 140f.
8 Zetkin „Zur Frauenkonferenz in Bremen“ GL 14(19) 1904, S. 146.
doi.org/10.35468/6162-13