Interdisziplinarität als Reexionsanlass und -referenz
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ten, oder Diskursen zu aktuellen Schul- und Unterrichtsreformen) lässt sich zu-
gleich die Diskursgur der „Heterogenisierung“ (Rabenstein&Steinwand 2013,
S.87) der Adressat:innen pädagogischen Handelns erkennen, in deren Zusam-
menhang Heterogenität bspw. als didaktische Herausforderung diskutiert wird,
auf die in der pädagogischen Praxis zu antworten ist– was demgemäß auch in
der Lehrer:innenbildung thematisch wird (Wittek 2023, S.356). In einer, für
die ‚interaktionale Verfasstheit‘ (Rademacher 2016) der Bearbeitung– und da-
mit auch Konstruktion– von Heterogenität in unterrichtlichen Praktiken sensi-
bilisierenden, hochschulischen Lehre erscheint es demgegenüber angebracht, auf
die Rekonstruktion von Praktiken der Dierenzkonstruktion zu setzen (vgl. zum
Überblick über verschiedene Ansätze auch Fabel-Lamla et al. 2020). Den glei-
chermaßen durch die QLB adressierten Begri der ‚Inklusion‘ fassen wir dabei als
menschenrechtsbasierte Strategie (Hinz 2015) der gesellschaftlichen und damit
auch schulischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Relevanz der Hete-
rogenität von (Lern-)Gruppen. Sich auch in der Lehrer:innenbildung mit dieser
Frage auseinanderzusetzen, liegt schon darin begründet, dass inklusive Lehr-Lern-
Settings die Komplexität des Lehrer:innenhandels steigern und hohe Anforde-
rungen an Lehrpersonen stellen (Saalfrank&Zierer 2017, S.152; Helsper 2016,
S.235). Mittels des strukturtheoretischen Verständnisses von Professionalität und
seiner Annahme einer antinomischen pädagogischen Handlungsstruktur lässt sich
fassen, inwiefern genau Heterogenität und damit auch Inklusion zur Komplexi-
tätssteigerung beitragen. Wir zeigen dies exemplarisch an zwei Antinomien:
1) Die Dierenzierungsantinomie verweist auf das dilemmatische Verhältnis zwischen
Gleichbehandlung und Dierenzierung. Während Schulklassen auf der einen Sei-
te heterogen sind und jede:r Schüler:in nach individueller Aufmerksamkeit ver-
langt, geht Schule auf der anderen Seite angesichts universalistischer Leistungsbe-
wertung immer mit einer gewissen Gleichbehandlung der Schüler:innen einher
(Helsper 2023, S.133). Durch die zunehmende Heterogenität von Lerngruppen,
z. B. durch das Aufeinandertreen neuartiger sozialer Milieus, verschiedener kul-
tureller und ethnischer Hintergründe und unterschiedlicher Leistungsgruppen,
verschärft sich dieses Dilemma (Walgenbach 2014). Die Schüler:innenschaft wird
zudem nicht nur heterogener, sie wird auch als heterogener wahrgenommen–
und diese Tatsache wird zunehmend durch den Inklusionsdiskurs relevanter,
zudem als positiv gekennzeichnet (Budde 2015, S.120; Trautmann&Wischer
2011, S.32). Schule ist aber weiterhin in gesellschaftliche Strukturen eingebun-
den, die Gleichbehandlung erfordern (Sturm 2016). Entsprechend besteht die
Dierenzierungsantinomie in gesteigerter Form.
2) Die Organisationsantinomie verweist auf dilemmatische Handlungsanforderun-
gen, die sich durch das Recht auf Inklusion in Anbetracht der derzeitigen Gestalt
des Schulsystems, der Organisation von Schule ergeben. Die fehlende „Passung
von ‚Inklusion‘ als neue pädagogische Reformprogrammatik zur Strukturlogik
doi.org/10.35468/6156-07