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Andreas Helzel und orid Rabe
kräfteprofessionalisierung angesichts des unvermeidbaren Umgangs mit Unsi-
cherheiten im Lehrpersonenalltag. Der kompetenzorientierte Ansatz betrachtet
Kompetenzen als Verfügbarkeit von (individuellen) Wissensbeständen, Fertig-
keiten und Haltungen für das beruiche Handeln, das auf den Lernerfolg der
Schüler:innen zielt (Cramer 2020, S.116). Dabei werden mit Blick auf Ree-
xivität „z.B. spezische Wissensbestände beton[t; d. Vf.] und/oder Reexivität
als eine selbstregulative Fähigkeit beschrieben“ (Aufschnaiter et al. 2019, S.151).
Im strukturtheoretischen Ansatz wird Professionalität mit Bezug auf das Konzept
des Habitus von Lehrpersonen konzeptualisiert (Helsper 2018). Der individuelle,
biographisch erworbene Habitus entsteht in den Handlungspraxen, die ein In-
dividuum durchlaufen hat und zeigt somit Bezüge zur familiären Herkunft und
verschiedenen Milieus. Teil dieses Habitus sind feldspezische Habitusformen,
von denen für uns speziell der sogenannte Lehrpersonenhabitus von Bedeutung
ist, der „Ausdruck der Orientierungen, der fachlichen und pädagogischen Praxen
der jeweiligen Lehrertätigkeit [ist; d. Vf.], wie sie über berufsbiographische Phasen
im Kontext konkreter Schulkulturen entfaltet werden“ (ebd., S.123). Der dabei
angestrebte reexive Habitus soll einen Umgang mit den Spannungen im Lehr-
personenhandeln ermöglichen, indem Orientierungen und (eigene und externale)
Normen einer kritischen Überprüfung unterzogen werden (ebd.). Dieser Lehrper-
sonenhabitus kann bzw. soll im Rahmen der Lehrer:innenbildung unter anderem
durch Fallarbeit (Kasuistik) herausgebildet werden (Heinzel 2021; Wernet 2006).
Ein solcher gemeinsamer (feldspezischer) Habitus wird auch für Studierende
angenommen (Schmidt&Wittek 2020). Er deutet sich beispielsweise durch kol-
lektive Orientierungen wie dem Studierendenjob (ebd., S.271) oder in Arbeiten
zu hochschulischen Fachkulturen an (Horstkemper&Tillmann 2008). In diesem
Beitrag sind wir an kollektiven Orientierungen bei den Studierenden interessiert,
die ihre Sprachbewusstheit prägen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Sprachbewusstheit im Sinne der Ausprägung
eines sprachbezogenen, reexiven Habitus auassen, wohingegen Tanja Tajmel
(2017, S.264) sie aus einer kompetenztheoretischen Perspektive als Teil der re-
exiven Professionalität versteht. Um eine Begriichkeit zu nutzen, die nicht per
se auf eine der hier angesprochenen professionstheoretischen Perspektiven zuge-
schnitten ist, sprechen wir im Rahmen dieser Arbeit auch von sprachbezogener Re-
exivität. Zur Beschreibung der Sprachbewusstheit einer Lehrperson beziehen wir
uns auf das Modell der kritisch-reexiven Sprachbewusstheit nach Tajmel (2017):
„Mit der Kritisch-reexiven Sprachbewusstheit wurde ein Rahmen entwickelt, der
es ermöglichen soll, Sprache im Kontext von naturwissenschaftlicher Bildung auf
unterschiedlichen Ebenen zu reektieren.“ (ebd., S.273, Herv. i. Orig.). Mithilfe
der normativen Begründung sprachsensiblen Unterrichts durch das allgemeine
Recht auf (naturwissenschaftliche) Bildung, können auch diesbezügliche unter-
richtliche Selektionsmechanismen analytisch betrachtet werden.
doi.org/10.35468/6156-09