Lieb_2025_Zur_ethischen_Dimension

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Lieb, Daniel
Zur ethischen Dimension proletarischer Pädagogik. Die
Arbeiterjugendbewegung in der frühen Weimarer Republik
Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik.
Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad
Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 182-198
Quellenangabe/ Reference:
Lieb, Daniel: Zur ethischen Dimension proletarischer Pädagogik. Die Arbeiterjugendbewegung in der
frühen Weimarer Republik - In: Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid
[Hrsg.]: Proletarische Pädagogik. Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen
sozialistischer Bildungskonzepte. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 182-198 - URN:
urn:nbn:de:0111-pedocs-328976 - DOI: 10.25656/01:32897; 10.35468/6162-09
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-328976
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Daniel Lieb
Zur ethischen Dimension proletarischer
Pädagogik. Die Arbeiterjugendbewegung
in der frühen Weimarer Republik
„Die junge Arbeiterschaft ist mit der erwachsenen Arbeiterschaft
im Schicksal zusammengeschweißt! Beide in dasselbe Joch gespannt,
haben dieselben Interessen, dieses Joch zu zertrümmern“
Max Westphal in der Arbeiter-Jugend, Nr. 10/1920, S. 111
Prolog
Weimar – wohl kein anderer Ort weckt in vergleichbarer Weise idealistische
Assoziationen zu Bildung und Kultur. Nicht zufällig ziert ein Foto des Goethe-
Schiller-Denkmals im Herzen der Stadt Georg Bollenbecks (1996) Untersuchung
der entsprechenden historischen Semantik dieses deutschen Deutungsmusters. Wer
Weimar für sich reklamiert, zelebriert damit seine Zugehörigkeit zu einer hege-
monialen Form von Hochkultur, deren elitärer Kern notwendig Exklusion pro-
duziert. Und doch ist es im Sommer 1920 eine ihrem Selbstverständnis nach
proletarische Jugendbewegung, die Weimar zu ihrer Heimstätte erklärt. Es drängt
sich die Frage auf: Kann eine Reklamation jener Chire Weimar tatsächlich pro-
letarisch sein?
1 Weimar als Heimstätte des Proletarischen? Einleitende
Gedanken
Ein Stück außerhalb der Stadt, eine gute halbe Stunde zu Fuß entlang der Ilm,
liegt der Tiefurter Park. Hier haben sich am Wochenende des 28. bis 30. Au-
gust 1920 rund 3000 jugendliche Arbeiterinnen und Arbeiter niedergelassen. Der
Park, der eigentlich ein nach wie vor erhaltener Schlossgarten ist, dient zu jener
Zeit als Bettenlager für die Teilnehmenden am Ersten landesweiten Reichsjugend-
tag der mehrheitssozialdemokratischen (MSPD) Arbeiterjugendbewegung1 (AJ).
1 Zum Zwecke historischer Kohärenz verbleiben einige Begrie in ihrer nicht-neutralen Schreib-
weise. Neben der Arbeiterjugendbewegung sind das die Arbeiterbewegung sowie die Arbeiterbil-
dungsvereine.
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Von hier aus ziehen sie in die Stadt, um im Rahmen eines gut dokumentierten
Festes (vgl. zul. Faludi, 2022) einen Kranz zu Ehren der beiden großen deutschen
Dichter an deren Statue niederzulegen. Die Mitgliederzeitschrift der Bewegung,
die Arbeiter-Jugend, kommentiert in der Ausgabe vom 28. August entsprechend
euphorisch: „Weimar, das ist das Bethlehem des deutschen Idealismus, jenes Ide-
alismus, der eine der kraftvollsten Wurzeln unseres sozialistischen Kulturideals
darstellt“ (A-J 12 (17), S. 186)2. Wie es scheint, stellt die Orientierung an der
Weimarer Hochkultur, mithin an der Tradition des deutschen Idealismus, zumin-
dest kein Hindernis für die Selbstkennzeichnung als sozialistisch dar. Gleichwohl
ist nun eine gewisse Begrisverwirrung eingeführt: Die Chire Weimar mag sozi-
alistisch sein – doch ist sie auch proletarisch?
Eben diese Frage schwebt über dem vorliegenden Beitrag, der als empirische Stu-
die der Arbeiter-Jugend angelegt ist, und bestimmt seine Struktur. Der Fokus liegt
dabei auf dem Jahrgang des Jahres 1920, somit auf der Frühphase der Weimarer
Republik, und fällt damit in jenen Abschnitt der proletarischen Jugendbewe-
gung, den Jakob Benecke (2020) als ihre „Phase der Eigenständigkeit“ (ebd.,
S. 308) bezeichnet: Zwischen 1919 und 1921 ist die AJ in einem Maße von
der (M)SPD unabhängig und jugendlich wie nie zuvor und niemals wieder in
ihrer Geschichte, die 1908 als gesamtdeutsche und einheitliche Bewegung be-
ginnt3 und mit der Machtübernahme Hitlers 1933 abrupt endet. Die spezischer
ausformulierte Leitfrage der folgenden Untersuchung lautet: Welches Verständnis
proletarischer Pädagogik oenbart die Lektüre der Arbeiter-Jugend für die Zeit um
1920 als Zenit jugendlicher Autonomie der A
J? Um sie zu beantworten, teilt sich
der Beitrag in die folgenden Unterkapitel:
Ich beginne mit heuristischen Vorüberlegungen, um zu eruieren, was proletari-
sche Pädagogik überhaupt sein kann oder soll (Kap 2.1) und in welchem Verhält-
nis sie zu – vonseiten der AJ betontermaßen – sozialistischer Pädagogik (Kap. 2.2)
steht. Nach einer sehr kursorischen historischen Hinführung zum Forschungsge-
genstand (Kap. 3), werden ausgehend von der dem Beitrag vorangestellten Aussa-
ge Max Westphals zwei Besonderheiten der AJ als proletarische Jugendbewegung
nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beleuchtet: Einerseits das Verhältnis der
erwachsenen Arbeiterbewegung zur Jugendbewegung (Kap. 4.1); andererseits die
dezidiert ethische Dimension, die dieses pädagogische Verhältnis zu jener Zeit
annimmt (Kap. 4.2). Proletarische Pädagogik, so die zu validierende ese, bedeu-
tet hier ein doppeltes, ethisch fundiertes Verhältnis: einerseits der Erwachsenen zur
Jugend, andererseits der Jugend zu sich selbst. Um sie zu untermauern, werde ich die
in der Zeitschrift verhandelten Bildungs- und Erziehungskonzeptionen vorstellen,
2 Die Zitation der Zeitschriftenquelle erfolgt nach dem Muster A-J Jahrgang (Ausgabe), Seitenzahl.
3 Zuvor bestanden ab den 1870er Jahren verschiedene Jugendsektionen von Arbeiterbildungsvereinen.
Zwischen 1904 und 1908 gab es zwei deutsche Dachorganisationen, je eine in Nord- und eine in
Süddeutschland, die eine Vielzahl autonomer Vereine repräsentierten (vgl. Eberts, 1979, S. 17 .).
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die mehrheitlich vonseiten erwachsener Parteifunktionär:innen, aber auch von
Jugendlichen selbst formuliert werden. Im Fazit (Kap. 5) werden diese Konzep-
te dann auf einen ihnen gemeinsamen proletarisch-pädagogischen Nenner hin
befragt und die gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich des ethischen Charakters
proletarischer Pädagogik zusammengefasst.
2 Heuristische Skizzen
Der Begri einer proletarischen Pädagogik ist in der gegenwärtigen erziehungs-
wissenschaftlichen Forschungslandschaft nahezu ein Desiderat. Er scheint histo-
risch, weckt er doch Assoziationen zu Edwin Hoernles Grundfragen proletarischer
Erziehung von 1929. In den letzten Jahren ist es vor allem der Begri einer so-
zialistischen Pädagogik, der seinen zweiten – oder, man denke an die sogenann-
ten 68er, sogar dritten – Frühling erlebt; sei es in vor allem historischem (vgl.
Paul-Siewert et al., 2016) oder stärker historisch-systematischem Interesse (vgl.
Engelmann & Pfützner, 2018). Die Zeit nach 1968 ist es, die Überlegungen zu
proletarischer Erziehung neues Leben einhaucht: nicht nur wird Hoernles Buch
neu aufgelegt; in sog. „K-Gruppen“ und der außerparlamentarischen Opposition
(APO) werden Möglichkeiten diskutiert, eine emanzipatorische Pädagogik, die
sich an Marx und Engels orientiert, bewusst in den Dienst des Proletariats und
seines Freiheitskampfes zu stellen (vgl. Fischer, 1984, S. 158). Hier ist jedoch
Vorsicht geboten: Nicht überall, wo proletarische Pädagogik „draufsteht“ ist auch
proletarische Pädagogik „drin“. So tut not, was Sebastian Engelmann und Robert
Pfützner (2018) jüngst für Studien zu sozialistischer Pädagogik festgehalten ha-
ben: Es sollte nur das als proletarische Pädagogik begrien werden, „was anhand
bestimmter, qualitativer [sic!] auszuweisender Kriterien“ (ebd., S. 41) als prole-
tarisch und pädagogisch begrien werden kann. Leider existieren (noch) keine
einheitlichen Kriterien, anhand derer Pädagogik als „proletarisch“ zu bezeichnen
wäre4. Es gilt also zunächst, Hinweise auf ihr Wesen zusammenzukehren. Eben
jenes „Kehren“ markiert den hermeneutischen Zugang dieser Studie. Dazu wer-
den zunächst vier mögliche Charakteristika proletarischer Pädagogik aus dem
Forschungsstand herausgearbeitet (Kap. 2.1 und 2.2), um auf dieser Grundlage
das herangezogene Quellenmaterial zu prüfen (Kap. 4).
2.1 Proletarisch – sozialistisch – materialistisch?
Wie zu zeigen sein wird, nden sich in der Arbeiter-Jugend mannigfaltige Motive
anhand derer ein zukünftiger Kanon proletarischer Pädagogik ausgestaltet werden
4 Eine Systematisierung historisch-materialistischer Pädagogiken, deren Ursprünge in der hier un-
tersuchten Zeit verortet und deren (Dis-)Kontinuitätslinien bis in die Gegenwart skizziert werden,
ndet sich bei Armin Bernhard (2024, S. 104-112).
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摘要:

Lieb,DanielZurethischenDimensionproletarischerPädagogik.DieArbeiterjugendbewegunginderfrühenWeimarerRepublikEngelmann,Christina[Hrsg.];Haberkorn,Tobias[Hrsg.];Miethe,Ingrid[Hrsg.]:ProletarischePädagogik.Verhältnisbestimmungen,historischeExperimenteundKontroversensozialistischerBildungskonzepte.BadHe...

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