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1
Kristin
Heinze
1. Die
beginnende
Systematisierung
pädagogischer
Wissensbestände
im 18.
Jahrhundert
Die großen Systematisierungsleistungen
in
Form von Klassifikationssyste-
men, Thesauri und anderen Formen von Wissenskorpora fallen in die Zeit der
Aufklärung, wobei als entscheidende Ursache die „Kumulation des Wissens"
anzusehen ist (vgl. Haug 1993,
S.
12f.). Mit der beginnenden Ausdifferenzie-
rung der Wissenschaften werden die fachspezifischen Wissensbestände
in
entsprechenden Kompendien zusammengeführt und systematisiert. Als das
erste deutschsprachige pädagogische Fachlexikon ist Carl Daniel Küsters
1774 erschienenes Sittliches Erziehungs-Lexicon anzunehmen. Wie dieses
Lexikon wurden mit Ausnahme des von D. Reuter 1811 herausgegebenen
Kompendiums auch die nachfolgend erscheinenden Nachschlagewerke von
Gottfried Immanuel Wenzel (1797), Johann Christoph Friedrich Baumgarten
(1828), Johann Georg Christian Wörle (1835) und Matthäus Cornelius
Münch (1841-1842; 1844-1845; 1859-1860, Bearbeitung von Hermann Th.
Loe) monographisch,
d.
h. eigenständig von einem oder zwei Autoren, und
nicht als Herausgeberwerk verfasst2. Letzterer Publikationstyp überwiegt erst
ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute (vgl. Lenzen, Rost 1998,
S.
2016-2028).
Für die pädagogische Geschichtsschreibung sind Wörterbücher außerordent-
lich aufschlussreiche Quellen3. Sie beginnen „in den meisten Fällen eine sich
2 Die Übersicht zu den pädagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Nachschlagewer-
ken in deutscher Sprache von Lenzen und Rost 1998 muss
in
einigen Teilen ergänzt bzw.
revidiert werden: Das Sittliche Erziehungs-Lexicon von Küster ist als das nach dem bisheri-
gen Stand zuerst erschienene Fachlexikon aufzunehmen; bei Wenzels Pädagogischer Ency-
clopädie sind vereinzelt Literaturangaben
im
Text enthalten; bei Reuters Arbeit liegt kein
monographisches Unternehmen vor (vgl. Lenzen, Rost 1998,
S.
2016), sondern dieses Lexi-
kon ist eine Sammlung von Werkausschnitten und Zitaten von ca. 100 Autoren. Den breite-
sten Raum nehmen Niethammer (vgl. die Lemmata: Weibliche Erziehung, Erziehungsunte
r-
richt, Gedächtnißübung, Humanismus, Philanthropinismus), Sailer (vgl. Intellektuelle Er-
ziehung, Moralisch e Erziehung, Weibliche
Er
ziehung, Religion), Gutsmuths (vgl. Gy mna-
stik, Industrieschulen, Spiele) und Schwarz ein (vgl. Erziehung, Religiöse Erziehung, Mäd-
chenunterric
ht
, Pestalozzi, Sinniibungen, Sprachunterricht); der Standort des Wörterbuchs
von Baumgarten kann inzwischen nachgewiesen und dieses somit berücksichtigt werden;
bei den Angaben zum Autor des Universal-Lexicons, Münch, liegen Deskriptionsfehler vor.
Münch war nicht „ehern. [aliger] Seminarrektor f.[ür] Schulaufseher
[„.]",
sondern „vor-
mal.[iger] Seminar-Rektor, k.[öniglicher] Schulenaufseher [„ .]", und auch der Titel der drit-
ten Auflage wurde nicht richtig übernommen.
3 Lenzen und Rost charakterisieren den Quellenwert von Lexika und alphabetisch geordneten
enzyklopädischen Handbüchern als „beträchtlich, dies insbesondere wegen weltanschauli-
cher (konfessioneller, nationaler
u.
a.) Orientierungen" (Lenzen, Rost l 998,
S.
2013). Auch