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bach 1993, S. 108). In vieler Hinsicht sei sie „eine noch fremdbestimmte Disziplin, so-
wohl in der Rekrutierung wie in der Ausbildung von anderen Fächern abhängig“ (Helm
u.a. 1990, S. 45). Im Vergleich zu anderen Disziplinen scheint die Pädagogik den Status
wissenschaftlicher Normalität noch nicht erreicht zu haben.
Eine dieser anderen Disziplinen, die den Vergleich nahe legen, ist die Psychologie, die
seit Herbart immer wieder als „Hilfs-“ oder „Grundwissenschaft“ der Pädagogik ge-
nannt wird (vgl. Jahnke 1994; Herrmann 1976; Menze 1966). Über das Verhältnis von
Pädagogik und Psychologie besteht jedoch wenig Klarheit (vgl. Bauer 2002; Herzog
1994, 2005). Wir wollen daher anhand einer Inhaltsanalyse von zwei Wörterbüchern
versuchen, die beiden Disziplinen miteinander zu vergleichen. Nach einem kurzen
Problemaufriss (1) erläutern wir das methodische Vorgehen unserer Studie (2) und stel-
len die wichtigsten Ergebnisse vor (3). Im Fokus der Diskussion steht die Frage nach
dem disziplinären Status der Erziehungswissenschaft (4).
1. Disziplin oder Fach?
Obwohl das Verhältnis der Pädagogik zu ihren Nachbarwissenschaften bisher nicht im
Zentrum der Wissenschaftsforschung gestanden hat, liegen doch einige Ergebnisse vor,
die es erlauben, der eigenen Studie ein paar Vorgaben zu machen. Dazu gehört die sozi-
alwissenschaftliche Wende, die die Pädagogik in den 1960er und 1970er-Jahren vollzogen
haben soll, verbunden mit einer Differenzierung in spezialisierte Teildisziplinen (vgl.
Macke 1994). Begleitet von einer institutionellen und personellen Expansion (vgl. Bau-
mert/Roeder 1990, S. 84ff.), die zur Rekrutierung akademischen Personals in den Nach-
bardisziplinen geführt habe, sei die Pädagogik fremden Begriffen und Denkweisen aus-
gesetzt worden (vgl. Tenorth 1986, S. 43ff.).
Dem widersprechen jedoch Analysen, die im erziehungswissenschaftlichen Lehran-
gebot eine hohe Kontinuität konstatieren, was auf einen geringen Wandel in den Kern-
begriffen der Disziplin schließen lässt (vgl. Hauenschild 1997; Herrlitz 1996; Keiner
1999). Auch wird darauf hingewiesen, dass mit der Übernahme eines pädagogischen
Lehrstuhls die Herkunftsdisziplin im Allgemeinen an Bedeutung verliert, weshalb von
einer Unterwanderung der Pädagogik durch Disziplinfremde nicht die Rede sein kann
(vgl. Baumert/Roeder 1994, S. 35ff.; Tasche 1990).
Diese gegenläufige Situierung der Pädagogik wird von nationalen Vergleichen be-
stärkt. Zwar scheint die deutschsprachige im Vergleich zur französisch- und englisch-
sprachigen Erziehungswissenschaft eine starke Binnenzentrierung aufzuweisen (vgl.
Keiner 1999; Keiner/Schriewer 1990, 2000). Darauf macht schon der Singular aufmerk-
sam, mit dem das Fach im Deutschen bezeichnet wird, während im Französischen der
Plural („sciences de l’éducation“) überwiegt (vgl. Hofstetter/Schneuwly 1998). Doch
auch die deutschsprachige Pädagogik ist weit weniger homogen als Schriewer (1983)
suggeriert, wenn er ihr Syndromcharakter unterstellt. Veranschlagt als „multidisziplinä-
re Kommunikationsgemeinschaft“ (Baumert/Roeder 1990, S. 120) und „multidiszipli-
näres Fachgebiet“ (Baumert/Roeder 1994, S. 36), scheint sie keine Disziplin, sondern ein