Franzke_2025_Das_Tinzer_Modell

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Franzke, Michael
Das Tinzer Modell der proletarischen Jugendbildung
Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik.
Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad
Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 166-181
Quellenangabe/ Reference:
Franzke, Michael: Das Tinzer Modell der proletarischen Jugendbildung - In: Engelmann, Christina
[Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik.
Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte.
Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 166-181 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-328965 -
DOI: 10.25656/01:32896; 10.35468/6162-08
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-328965
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Michael Franzke
Das Tinzer Modell der proletarischen
Jugendbildung
1 Historischer Ort und Relevanz der Heimvolkshochschule
Tinz
Die Heimvolkshochschule Tinz, in der thüringischen Stadt Gera gelegen, gehörte
zu den herausragenden Angeboten der proletarischen Jugendbildung der Wei-
marer Republik. Zwischen 1920 und 1933 wurden an dieser linkssozialistischen
Bildungseinrichtung junge Frauen und Männer zwischen 18 und 27 Jahren in
fünfmonatigen Kursen mit den Grundlagen des durch Karl Marx und Friedrich
Engels begründeten wissenschaftlichen Sozialismus, mit ausgewählten Fragen po-
litischer und sozialer Praxis sowie mit klassischen Werken aus der Kunst, Musik
und Literatur vertraut gemacht. Neben den neun Frauenkursen und 18 Männer-
kursen wurden Kurzlehrgänge durchgeführt, die sich insbesondere an ehemalige
Schülerinnen und Schüler sowie Aktivistinnen und Aktivisten der proletarischen
Bildungsarbeit richteten. Über 1.350 junge Frauen und Männer haben die An-
gebote der Heimvolkshochschule genutzt und ihr mit wenigen Ausnahmen eine
ausgezeichnete Arbeit bescheinigt (Bauke, 1995).
Die Heimvolkshochschule Tinz ist in der Literatur über die proletarische Bil-
dungsarbeit zwischen den zwei Weltkriegen bislang weitgehend unterbelichtet
geblieben. Ihre Erforschung scheint gegenwärtig jedoch aus mehreren Gründen
relevant zu sein. Die vieldiskutierte Krise der parlamentarischen Demokratie und
die unübersehbaren Tendenzen einer Spaltung der Gesellschaft fordern die Päda-
gogik heraus, die eorie und Praxis der Volksbildung erneut auf den Prüfstand
zu stellen. Historische Studien bieten zwar keine Lösungen für aktuelle Heraus-
forderungen, können jedoch dazu beitragen, Kompetenzen zur Problemlösung
ebenso zu fördern, wie die Urteilskraft und Dialogfähigkeit, von denen neue Im-
pulse für den aktuellen Volkshochschuldiskurs ausgehen könnten. Wenngleich
die Heimvolkshochschule Tinz ein Kind der Revolution von 1918/19 war, so
war sie doch zugleich ein Kind der Volkshochschulbewegung, die mit der Ent-
stehung der Weimarer Republik einen enormen Aufschwung erlebte. Das Ziel
dieser Bewegung war die Erziehung breiter Volksmassen zur Demokratie, zu einer
Demokratie, die soziale Unterschiede und Klassengegensätze nicht ausblendet,
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sondern dazu befähigt, diese in einem demokratischen Prozess zu artikulieren und
auszutragen. Die Heimvolkshochschule Tinz war in ihrem Selbstverständnis eine
sozialistische Bildungseinrichtung, die den politischen Radikalismus der kommu-
nistischen Bewegung ebenso ablehnte, wie die Politik der „faulen Kompromisse“
und „falschen Tolerierung“ seitens der Führung der SPD.
Mit diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, den Platz der Heimvolks-
hochschule Tinz in der proletarischen Erwachsenenbildung der Weimarer Re-
publik zu bestimmen, ihren Charakter als linkssozialistische Bildungsstätte he-
rauszuarbeiten und ihre zentralen Organisationsstrukturen aufzuzeigen. Da die
machtpolitischen Entwicklungsbedingungen sowie das Lehrpersonal einen prä-
genden Einuss auf die Entwicklung der Heimvolkshochschule hatten, wird ih-
nen eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die zur Verfügung stehenden Archiv-
materialien und Zeitdokumente setzen der Darstellung insbesondere hinsichtlich
der konkreten Lehr- und Lernpraxis weitreichende Grenzen.
2 Die Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen
Die Volkshochschulbildung Anfang des 20. Jahrhunderts
Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts mit der Einrichtung der Bücher- und Le-
sehallen die erste Phase in der Entwicklung der deutschen Volksschulbildung für
Erwachsene auf den Weg gebracht worden war, wurde die Frage diskutiert, wie
sie den veränderten Anforderungen der politischen Entwicklungen im Deutschen
Reich im Übergang zum 20. Jahrhundert angepasst werden solle. Nicht zuletzt das
Erstarken der deutschen Sozialdemokratie, die nach dem Fall des Sozialistengeset-
zes im September 1890 einen enormen Stimmenzuwachs verzeichnen konnte,
drängte zur Überlegung, mittels einer Modernisierung des Volksbildungswesens
die sozialen Spannungen bzw. die Klassengegensätze abzubauen. Gottlieb Fritz
erinnerte 1909 in seinen Ausführungen über das moderne Volksschulwesen an die
Mahnung Johann Gottlieb Fichtes, die er wie folgt wiedergab: „Dasjenige Volk,
welches bis in die untersten Schichten hinein die tiefste und vielseitigste Geistes-
und Gemütsbildung besitzt, wird zugleich das mächtigste und glücklichste sein,
unter den Völkern seiner Zeit, unbesiegbar für seine Nachbarn, beneidet von den
Zeitgenossen und ein Vorbild der Nachahmung für sie!“ (Fritz, 1909, S. 9) Wah-
rung des sozialen Friedens und Erringung einer imperialen Vormachtstellung der
Deutschen Nation waren die zwei entscheidenden Motive, die der Volksbildung
vor dem Ersten Weltkrieg einen enormen Aufschwung gaben.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der proletarischen Revolution von
1918/19 trat die Volkschulbildung in ihre zweite Entwicklungsphase. Ihr be-
sonderes Merkmal bestand in einer Fokussierung auf die Erwachsenenbildung.
Neben den tradierten Motiven der ökonomischen Bildung und der Sicherung
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des sozialen Friedens trat das Motiv der Erziehung zur Demokratie, zu der sich
die am 9. November 1918 ausgerufene Weimarer Republik bekannte. Der Boom
von Volkshochschulneugründungen war so stark, dass er nach Herman Nohl, als
„Volkshochschulrummel“ bezeichnet wurde. Bei Nohl heißt es: „Die Not unseres
Volkes war da, alle Quellen der Kraft waren uns genommen, wie Fichte das einmal
in seinen Reden ausdrückte, Glück, Macht, Recht – es blieb nur die Erziehung;
und nun kam dazu die Revolution mit ihren Gegensätzen. Da erschien die Volks-
hochschule als neues Organ der Erhebung“ (Nohl, 1988, S. 29).
In der Weimarer Verfassung wurden die Volkshochschulen als integraler Bestand-
teil der Volksbildung festgeschrieben und Frauen das gleiche Zugangsrecht wie
den Männern gewährt. Die Volkshochschulen standen gemäß dem Artikel 148
der Weimarer Reichsverfassung unter Schutz und Förderung des Staates, wobei
den Ländern des Reiches ein Mitspracherecht zugebilligt wurde, ihre Finanzie-
rung war Ländersache.
Die Auassung, dass die im Kaiserreich vorherrschende Bildung im Untertanen-
geist angesichts von Krieg und revolutionärer Nachkriegskrise überlebt habe, war
mehrheitsfähig geworden. Die Erziehung zu selbständigen und eigenverantwort-
lichen Staatsbürgern war aber weder in den Volksschulen noch in den berufso-
rientierten Fortbildungsschulen leistbar. Die Schülerinnen und Schüler wurden
wegen ihres Alters dafür als noch nicht reif genug befunden, die Wirtschaft erwar-
tete angesichts des durch den Krieg bedingten Arbeitskräftemangels eine zügige
und „störungsfreie“ Berufsbildung. Die Entwicklung des Volkshochschulwesens
erschien daher als eine sinnvolle und wirksame Ergänzung und Weiterentwick-
lung der bisherigen Bildungspolitik.
Der Volkshochschulreferent im preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst
und Volksbildung Werner Picht legte eine Denkschrift vor, in der u. a. folgende
Richtlinien ausgegeben wurden:
Die Volkshochschulen müssen von oben und von unten geschaen, Staatswille
und Volkswille zur Einheit geführt werden.
Die Volkshochschule stellt die höchste Form der Volksbildung dar und stützt
sich auf eine wissenschaftliche Basis und ist nach den Prinzipien der Demokra-
tie zu organisieren.
Das oberste Ziel der Volkshochschulen ist die Herausbildung eines auf Emanzi-
pation gerichteten Denkens. Die Lehr- und Lernmethoden sind so zu wählen,
dass sie zur selbständigen Wissensaneignung erziehen.
Die Vertretung spezieller parteipolitischer, ständischer, völkischer und religiöser
Ansichten sind zu vermeiden. Eine weltanschauliche Oenheit ist zu wahren.
Die Einrichtung von Volkshochschulheimen ist unter besonderen Umständen
möglich, da sie geeignet sind, der Gefahr der Herausbildung eines intellektuel-
len Egoismus zu begegnen.
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摘要:

Franzke,MichaelDasTinzerModellderproletarischenJugendbildungEngelmann,Christina[Hrsg.];Haberkorn,Tobias[Hrsg.];Miethe,Ingrid[Hrsg.]:ProletarischePädagogik.Verhältnisbestimmungen,historischeExperimenteundKontroversensozialistischerBildungskonzepte.BadHeilbrunn:VerlagJuliusKlinkhardt2025,S.166-181Quel...

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