Hansohm_2025_Beherrschung_nicht_Herrschaft

2025-04-22 0 0 175.49KB 17 页 10玖币
侵权投诉
Hansohm, Lasse
Beherrschung, nicht Herrschaft. Zum Generationenverhältnis in Walter
Benjamins "Programm eines proletarischen Kindertheaters"
Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik.
Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad
Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 78-93
Quellenangabe/ Reference:
Hansohm, Lasse: Beherrschung, nicht Herrschaft. Zum Generationenverhältnis in Walter Benjamins
"Programm eines proletarischen Kindertheaters" - In: Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias
[Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik. Verhältnisbestimmungen, historische
Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad Heilbrunn : Verlag Julius
Klinkhardt 2025, S. 78-93 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-328921 - DOI: 10.25656/01:32892;
10.35468/6162-04
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-328921
https://doi.org/10.25656/01:32892
in Kooperation mit / in cooperation with:
http://www.klinkhardt.de
Nutzungsbedingungen Terms of use
Dieses Dokument steht unter folgender Creative Commons-Lizenz:
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de - Sie dürfen das
Werk bzw. den Inhalt unter folgenden Bedingungen vervielfältigen, verbreiten
und öffentlich zugänglich machen: Sie müssen den Namen des
Autors/Rechteinhabers in der von ihm festgelegten Weise nennen. Dieses
Werk bzw. dieser Inhalt darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden
und es darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verändert
werden.
This document is published under following Creative Commons-License:
http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.en - You may copy,
distribute and transmit, adapt or exhibit the work in the public as long as you
attribute the work in the manner specified by the author or licensor. You are
not allowed to make commercial use of the work or its contents. You are not
allowed to alter, transform, or change this work in any other way.
Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die
Nutzungsbedingungen an.
By using this particular document, you accept the above-stated conditions of
use.
Kontakt / Contact:
peDOCS
DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Informationszentrum (IZ) Bildung
E-Mail: pedocs@dipf.de
Internet: www.pedocs.de
78 |
Lasse Hansohm
Beherrschung, nicht Herrschaft. Zum
Generationenverhältnis in Walter
Benjamins „Programm eines proletarischen
Kindertheaters“
In Walter Benjamins1 Einbahnstraße (1928) ndet sich innerhalb des Denkbilds
„Zum Planetarium“ eine berühmte Passage, welche die Ordnung des Generatio-
nenverhältnisses als Kern der Erziehung vorstellt:
„Wer möchte aber einem Prügelmeister trauen, der Beherrschung der Kinder durch die
Erwachsenen für den Sinn der Erziehung erklären würde? Ist nicht Erziehung vor allem
die unerläßliche Ordnung des Verhältnisses zwischen den Generationen und also, wenn
man von Beherrschung reden will, Beherrschung der Generationsverhältnisse und nicht
der Kinder?“ (GS IV, S. 147)
Diese beiden Sätze entstammen einer Werkphase, in der sich Benjamin wäh-
rend der 1920er Jahre intensiv mit verschiedenen eorieströmungen der
Arbeiter:innenbewegung auseinandersetzt und Skizzen zu einer eigenen proleta-
rischen Pädagogik verfasst. Im Folgenden möchte ich danach fragen, was es in
dieser Pädagogik heißen könnte, nicht das Kind zu beherrschen, sondern das Ver-
hältnis der Generationen. Zur Erörterung dieser Frage werde ich zwei Texte aus
diesem Zeitraum heranziehen, in denen sich Benjamins proletarischer Zugang
zum Problem des Generationenverhältnisses besonders plastisch darstellt. Diese
sind „Eine kommunistische Pädagogik“ sowie das „Programm eines proletarischen
Kindertheaters“2, beide aus dem Jahr 1929.
In diesen beiden Texten zeigt sich, dass Benjamin seine eigene Position sowohl
über eine Abstoßbewegung von der bürgerlichen Pädagogik als auch von der prole-
tarischen Pädagogik der Parteilinie entwickelt.3 Sein Verfahren immanenter Kritik
1 Ich zitiere die Werke Benjamins gemäß Band und Seitenzahl der Gesammelten Schriften unter der
Sigle GS.
2 Das Kindertheaterprogramm sollte ursprünglich dazu dienen, die bereits angewandte Kindertheater-
praxis Asja Lācis’ zu theoretisieren. Die Abweichungen zwischen Lācis’ Praxis und Benjamins eo-
retisierung dieser Praxis sind allerdings erheblich. Zu diesem Komplex vgl. Burk, 2015, S.125–135.
3 Benjamin ist bekanntlich nie in die KPD eingetreten, hat dies aber durchaus ernsthaft erwogen; vgl. Pal-
mier, 2009, S. 434–444. Zu Benjamins Ringen mit dem Verhältnis zur Partei vgl. bes. GS VI, S.359f.
doi.org/10.35468/6162-04
Beherrschung, nicht Herrschaft
| 79
adressiert damit nicht nur die bürgerliche Pädagogik, sondern auch die Parteipä-
dagogik der KPD in der Figur von Edwin Hoernle. Ich möchte im Folgenden die
ese entfalten, dass sich Benjamins Kindertheaterprogramm verstehen lässt als
Versuch einer Überwindung der sowohl in bürgerlichen als auch in parteikom-
munistischen Pädagogiken präsenten Tendenz, das kindliche Andere durch ein
übergeordnetes Ordnungsprinzip einzuhegen und auf diese Weise zu beherrschen.
Zur Plausibilisierung dieser ese werde ich in einem ersten Schritt (1.) auf Ben-
jamins Darstellung bürgerlicher und proletarischer Pädagogik eingehen: In sei-
ner Rekonstruktion des Generationenverhältnisses der bürgerlichen Pädagogik
erscheint die spezische Dierenz des Kindes zu den Erwachsenen als eine Form
des Mangels, der über eine Idee des ‚Vollmenschen‘ in vertikaler Weise eingehegt
werden soll; die proletarische Pädagogik Hoernles wiederum als eine andere, näm-
lich horizontale Form der Einhegung der Dierenz innerhalb der Organisation der
Partei. In einem zweiten Schritt (2.) werde ich Benjamins eigene Position in Bezug
auf das Generationenverhältnis rekonstruieren und argumentieren, dass das Kin-
dertheater ein paradigmatischer Ort ist, an dem die Generationendierenz nicht
eingehegt, sondern ausgetragen wird – genau darin liegt seine Bedeutung für die
Klasse. Vor diesem Hintergrund ergibt sich in einem dritten Schritt (3.) die Mög-
lichkeit eines neuen Zugris auf die zitierte Passage aus der Einbahnstraße. Beherr-
schung des Generationenverhältnisses hieße nicht Einhegung der generationalen
Dierenz, sondern ihre Befreiung durch eine Einübung in das kindliche Andere.
1 Vertikale und horizontale Einhegung der Dierenz:
Grundmodelle bürgerlicher und proletarischer
Generationenverhältnisse
B
enjamins eigene Position entsteht aus der Problematisierung der bürgerlichen
sowie der proletarischen Pädagogik. Sein Zugri auf diese Strömungen ist da-
bei durchaus selektiv und dadurch ist es mitunter schwer zu bestimmen, welche
Autor:innen durch die Allgemeinbegrie ‚proletarische Pädagogik‘ und ‚bürgerli-
che Pädagogik‘ adressiert werden.4 Während in seinen Bezugnahmen auf die prole-
tarische oder kommunistische Pädagogik noch relativ eindeutig ist, dass er Edwin
Hoernle5 mit dieser Position verknüpft, ist im Falle der bürgerlichen Pädagogik die
4 Benjamins Zugri auf die proletarische Pädagogik ist deshalb selektiv, weil ihm diese eorieströmung
nicht in seiner Breite vor Augen steht, sondern sich seine Rezeption im Wesentlichen auf Edwin
Hoernle und hier bes. auf die Grundfragen der proletarischen Erziehung (1929) beschränkt. Vor
diesem Hintergrund kann es nicht darum gehen, zu fragen, inwiefern Benjamins Blick auf Hoernle
diesem gerecht wird, sondern vielmehr darum, diesen Blick zuallererst zu rekonstruieren.
5 Ich werde die Rekonstruktion Hoernles proletarischer Pädagogik im Folgenden auf seine Charak-
terisierung des Generationenverhältnisses beschränken. Für einen ausführlicheren Blick auf Person
doi.org/10.35468/6162-04
80 |
Lasse Hansohm
Rückführung auf konkrete Autor:innen oder Werke nicht möglich. Da es mir hier
aber vornehmlich um die Herausarbeitung der für das Generationenverhältnis re-
levanten Strukturmerkmale von bürgerlicher und proletarischer Pädagogik in Ben-
jamins Rezeption geht und nicht um die Akkuratheit Benjamins Rekonstruktion
einzelner Autor:innen kann hier von dieser historischen Problematik abgesehen
werden.
Zunächst zu Benjamins Verständnis der bürgerlichen Pädagogik: Im Kinderthe-
atertext sowie in der Rezension „Eine kommunistische Pädagogik“ erscheint das
Generationenverhältnis der bürgerlichen Pädagogik als das einer aufzuhebenden
Dierenz: Kinder und Erwachsene sind zunächst ungleich; durch Erziehung je-
doch werden die Kinder an die Erwachsenen angeglichen. In Benjamins Worten:
„Psychologie und Ethik sind die Pole, um die sich die bürgerliche Pädagogik gruppiert.
Man soll nicht annehmen, sie stagniere. Es sind in ihr beissene und bisweilen auch
bedeutende Kräfte am Werk. Nur können sie nichts dawider, daß die Denkungsart des
Bürgertums hier wie in allen Bereichen auf eine undialektische Weise gespalten und in
sich zerrissen ist. Auf der einen Seite die Frage nach der Natur des Zöglings: Psychologie
der Kindheit, des Jugendalters, auf der anderen das Erziehungsziel: der Vollmensch, der
Staatsbürger. Die ozielle Pädagogik ist das Verfahren, diese beiden Momente – die
abstrakte Naturanlage und das chimärische Ideal – einander anzupassen, und ihre Fort-
schritte liegen dabei in der Linie, zunehmend List an Stelle der Gewalt zu setzen.“ (GS
III, S. 206)
Das, was Benjamin an dieser Stelle als die „Denkungsart des Bürgertums“ bzw.
als die „ozielle Pädagogik“ bezeichnet, operiert mit einer normativen Setzung
eines Zielpunktes: die Entwicklung zum vollen Menschsein. Das „Erziehungs-
ziel: der Vollmensch“ ist in der Figur des Kindes angelegt, aber noch nicht ver-
wirklicht. Das Kind soll in vollem Maße Mensch werden, ist es aber noch nicht. Es
ist noch nicht mündig, es hat die Sitten, Bräuche und Traditionsbestände noch
nicht verinnerlicht und noch kein Gattungsbewusstsein ausgebildet. Kindsein
erscheint vor diesem Hintergrund als Ausdruck eines mangelhaften, dezitären
Zustands, der aufgehoben werden soll.6 Erziehung ist das „Verfahren“ der ein-
seitigen Angleichung der kindlichen „Naturanlage“ an das „chimärische Ideal“.
Die Art und Weise der Angleichung ist hierbei insofern einseitig gedacht, als die
Erwachsenen idealiter bereits exakt das sind, was das Kind erst noch werden soll:
„Eine Generation erzieht die andere“, wie es bei Kant heißt (Kant, 1964, S. 697).
Über die Entfaltung des individuell-persönlichen Potenzials und der damit ver-
bundenen Teilhabe am Gattungsfortschritt sowie seiner Tradierung rechtfertigt
sich die einseitige Einwirkung, d. h. die Erziehung selbst. Aus der Perspektive
und eorie vgl. den Beitrag von Florian Grams in diesem Band. Grams behandelt insb. auch
Punkte, an denen zwischen Hoernle und der Parteilinie Spannungen bestehen.
6 Zur Dezitkonzeption von Kindheit vgl. Gheaus (2015) und Matthews (2023).
doi.org/10.35468/6162-04
摘要:

Hansohm,LasseBeherrschung,nichtHerrschaft.ZumGenerationenverhältnisinWalterBenjamins"ProgrammeinesproletarischenKindertheaters"Engelmann,Christina[Hrsg.];Haberkorn,Tobias[Hrsg.];Miethe,Ingrid[Hrsg.]:ProletarischePädagogik.Verhältnisbestimmungen,historischeExperimenteundKontroversensozialistischerBil...

展开>> 收起<<
Hansohm_2025_Beherrschung_nicht_Herrschaft.pdf

共17页,预览4页

还剩页未读, 继续阅读

声明:本站为文档C2C交易模式,即用户上传的文档直接被用户下载,本站只是中间服务平台,本站所有文档下载所得的收益归上传人(含作者)所有。玖贝云文库仅提供信息存储空间,仅对用户上传内容的表现方式做保护处理,对上载内容本身不做任何修改或编辑。若文档所含内容侵犯了您的版权或隐私,请立即通知玖贝云文库,我们立即给予删除!
分类:图书资源 价格:10玖币 属性:17 页 大小:175.49KB 格式:PDF 时间:2025-04-22

开通VIP享超值会员特权

  • 多端同步记录
  • 高速下载文档
  • 免费文档工具
  • 分享文档赚钱
  • 每日登录抽奖
  • 优质衍生服务
/ 17
客服
关注