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Manuela Keller-Schneider und Doris Wittek
Implementationsschritte wurden von wissenschaftlichen Längsschnittstudien be-
gleitet, die aus verschiedenen paradigmatischen Blickwinkeln heraus ergründen,
inwiefern die Studienangebote für die Reexionsfähigkeiten und -bereitschaft der
Studierenden von Bedeutung sein könnten.
Gemäß dem wahrnehmungsgestützten, stress- und ressourcentheoretisch fun-
dierten berufsbiograsch orientierten Professionalisierungsansatz von Manuela
Keller-Schneider (2020a) werden institutionell bzw. kontextuell gestellte und
vom Individuum selektionierte Anforderungen aufgrund von individuellen
Ressourcen wahrgenommen und in einem unbewusst ablaufenden Prozess vor
dem subjektiven Referenzrahmen nach ihrer Bedeutsamkeit und Bewältigbarkeit
gedeutet (Lazarus& Launier 1981). Berufsbiograsch erworbenes Wissen und
Kenntnisse sowie motivational-aektive Komponenten wirken als Dispositionen
in der Wahrnehmung und Deutung von Anforderungen sowie in der Ausein-
andersetzung mit diesen (Blömeke et al. 2015). Mit Irritationen einhergehende
Impulse (Combe&Gebhard 2009) führen zu Bearbeitungsprozessen, aus wel-
chen Erkenntnisse hervorgehen, die, in die individuellen Ressourcen integriert,
diese anreichern und transformieren (Keller-Schneider 2020a; Gruber&Degner
2016). Professionalisierung erfolgt in beanspruchenden Auseinandersetzungspro-
zessen und manifestiert sich in Umstrukturierungen von latenten Wissensstruk-
turen und zunehmenden, komplexitätsreduzierenden Synergiebildungen, welche
das Denken von Expert:innen kennzeichnen (Dreyfus&Dreyfus 1986; Berliner
2001; Neuweg 2004; Keller-Schneider 2015, 2020a). In dieser beanspruchenden
Auseinandersetzung werden einerseits Ressourcen in Anspruch genommen; an-
dererseits werden weitere Ressourcen generiert (siehe Beiträge in Keller-Schnei-
der&Sandmeier 2023).
In diesen grundlagentheoretischen Annahmen lässt sich die in diesem Beitrag im
Zentrum stehende Selbstreexion verorten. In kasuistisch orientierten Lehrveran-
staltungen des Lehramtsstudiums wird eine intensive fallbezogene Auseinander-
setzung mit schulischen Phänomenen und Situationen angestrebt (Keller-Schnei-
der 2018; Wittek et al. 2021), um ein vertieftes Verstehen von Interaktionen und
Sachverhalten vor dem Hintergrund kulturell eingebundener biograsch erwor-
bener Ressourcen und Orientierungen zu ermöglichen. Wissen soll somit nicht
lediglich angeeignet und in späteren beruichen Situationen erinnert und ange-
wendet werden, sondern unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren fundierte
pädagogische Handlungsentscheidungen (Blömeke et al. 2015) und damit pro-
fessionelles Handeln ermöglichen, welches in Selbstreexionsprozessen auf seine
Wirkung hin geprüft wird (Keller-Schneider 2018).
Strukturtheoretischen Ansätzen der Lehrer:innenbildung zufolge wird in kasuistisch
orientierten Lehrveranstaltungen über die Nutzung reexiver Tätigkeiten eine
Förderung von Selbstreexion als Reexionsfähigkeit und Reexionsbereitschaft
angestrebt. Auf diese Weise werden, dem kognitionspsychologisch fundierten Exper-
doi.org/10.35468/6156-14