Kluesener_2025_Theater_und_Rundfunk

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Klüsener, Ferdinand
Theater und Rundfunk. Zu ihrer gestischen Erziehungsarbeit bei Bertolt
Brecht, Walter Benjamin und Jizchak Löwy
Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe, Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik.
Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad
Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S. 273-289
Quellenangabe/ Reference:
Klüsener, Ferdinand: Theater und Rundfunk. Zu ihrer gestischen Erziehungsarbeit bei Bertolt Brecht,
Walter Benjamin und Jizchak Löwy - In: Engelmann, Christina [Hrsg.]; Haberkorn, Tobias [Hrsg.]; Miethe,
Ingrid [Hrsg.]: Proletarische Pädagogik. Verhältnisbestimmungen, historische Experimente und
Kontroversen sozialistischer Bildungskonzepte. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt 2025, S.
273-289 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-329023 - DOI: 10.25656/01:32902; 10.35468/6162-14
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-329023
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Ferdinand Klüsener
eater und Rundfunk. Zu ihrer gestischen
Erziehungsarbeit bei Bertolt Brecht, Walter
Benjamin und Jizchak Löwy
Würde jemand um Mitternacht neben mir stehen, um mich zu fragen: „Herr Klü-
sener, was ist das gestische eater? Und was hat es mit proletarischer Pädagogik
zu tun?“, würde meine Antwort vermutlich nicht die gebotene philosophische
Klarheit entfalten. Stattdessen würde ich meinen Kopf im Kissen vergraben, etwas
Unverständliches murmeln und hoen, dass es sich nur um einen bösen Traum
am Nachmittag handelt. Ich würde also jene Geste auühren, die ich vermutlich
genauso ausführen würde, wenn mich ein:e jugendliche Teilnehmer:in eines mei-
ner theaterwissenschaftlich informierten Sozialprojekte kurz nach Mitternacht
anrufen würde, um mir mit gespenstischer Stimme mitzuteilen, dass er:sie ver-
gessen hat, die schon vor langer Zeit bei mir angemeldeten Sozialstunden abzu-
leisten, und dass morgen Mittag der Gerichtstermin ansteht. Auch in diesem Fall
würde ich vermutlich meinen Kopf im Kissen vergraben und etwas Unverständli-
ches murmeln. Und im Kissen dürfte ich dann hoen, dass die sich in derselben
Geste entfaltende Dierenz, und der damit einhergehende pädagogische Gehalt
der Erfahrung, als Antwort auf die Frage hinreichen möge. Und wenn dies so
wäre, könnte ich vorsichtig und im Halbschlaf vollends unter das Kissen schielen
und mich vorsichtig fragen, ob der Traum eigentlich schon vorbei gewesen ist,
oder gerade erst anfangen will.1 Erinnern könnte ich einen solchen gespenstischen
Besuch dann zudem – welcher nicht ohne Grund an das Gespenst gemahnen
mag, von dem Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) bereits
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in ihrem Manifest der kommunistischen Par-
tei (1848) gesprochen haben –, dass man sich sowieso morgen zum eaterspiel
treen wollte, um genau diese Gesten immer wieder, durchaus auch in anderen
Kontexten, zu wiederholen und daraus etwas zu lernen.
Entsprechend möchte ich in diesem Artikel der gestischen Qualität der proleta-
rischen Pädagogik, so wie sie bei Walter Benjamin (1892-1940), Bertolt Brecht
(1898-1956), Franz Kafka (1883-1924), aber auch Jizchak Löwy (1887-1942)
1 Meine Einleitung in den Text wiederholt hier gestisch einen kurzen Absatz, den Mattias Engling
seinem Artikel „Was ist das gestische eater?“ (2023) als Einleitung voranstellt.
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impliziert wird, nachspüren. Sie wird darüber hinaus in der Arbeit des japanischen
Radiokünstlers und Kritikers Tetsuo Kogawa (*1941) situiert, der zu all diesen
Akteuren umfassend geforscht, gearbeitet und – im Japanischen – publiziert hat,
und mit dem ich im Zeitraum meines Promotionsprojekts einen intensiven Mail-
wechsel gepegt habe (Klüsener, 2024c). Weiterhin möchte ich die Anbindung
an meine eigene künstlerische Arbeit suchen. Darüber hinaus wird die Arbeit von
Asja Lācis (1891-1979) thematisiert. All diese Referenzen aktivieren eine, wenn
man so will, bolschewistische Pädagogik, die in den 1920er- und 1930er-Jahren
ihre erste Blüte entfaltet. Der Fokus meines Artikels fällt im Folgenden daher
genau auf dieses Zeitfenster. Die Auswahl der angesprochenen Autor:innen grup-
piert sich dabei um das Lehrstück, das hier als eine pädagogische Praxis gelesen
wird, in der die Geste ein zentrales Motiv markiert. Wichtig anzumerken ist dabei
zum einen, dass sich die zu diskutierenden Pädagogien2 zwischen eater und
Rundfunk entfalten, insofern diese bei Benjamin und Brecht als Institutionen
verstanden werden, die umfunktioniert werden sollen (Bürger, 1974), und zum
anderen, dass sich die Erziehungsarbeit ihnen zufolge insbesondere über eine zur
Stellungnahme zwingenden Unterbrechung der Handlung (Benjamin, 1977b)
vollzieht.
1 Das Lehrstück zwischen Großer und Kleiner Pädagogik
Im Hinblick auf Brecht erscheint zunächst der kurze Text „Die Grosse und die
Kleine Pädagogik“ (1971) spannend, indem diese beiden Pädagogien umrissen
und in einem staatspolitischen Kontext situiert werden, insofern das eater in
diesem Text als Modell für den Staat gedacht wird; auch seine „eorie der Päd-
agogien“ (1971b) sollte in diesem Kontext gelesen werden.3 Das pädagogische
Argument strukturiert er dabei in die Forderung nach einer Demokratisierung
und Aktivisierung des Publikums.4 Es heißt:
„Die Große Pädagogik verändert die rolle des spielens vollständig. sie hebt das system
spieler und zuschauer auf. sie kennt nur mehr spieler die zugleich studierende sind. nach
dem grundgesetz ,wo das interesse des einzelnen das interesse des staates ist, bestimmt
die begriene geste die handlungsweise des einzelnen‘ wird das imitierende spielen zu
einem hauptbestandteil der pädagogik. demgegenüber führt die Kleine Pädagogik in der
übergangszeit der ersten revolution lediglich eine demokratisierung des theaters durch.
2 In den 1930er-Jahren spricht Brecht von einer „eorie der Pädagogien“, daher spreche ich hier von
„Pädagogien“ und nicht etwa von „Pädagogiken“.
3 Diese Quellen sind an unterschiedlicher Stelle zugänglich. Hier wird auf eine Ausgabe der Zeitschrift
Alternative aus den 1970er Jahren zurückgegrien, in der Steinweg die Primärquellen versammelt
(Brenner, 1971).
4 Brecht spricht immer wieder von einer „Aktivisierung“ des Publikums – so auch im folgenden Zitat.
Entsprechend verwende auch ich diesen Neologismus.
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die zweiteilung bleibt im grunde bestehen jedoch sollen die spieler möglichst aus laien
bestehen . . . und das publikum aktivisiert werden“ (Brecht, 1971a, S. 126).
Nach Brecht besteht die Funktion der von ihm skizzierten Pädagogik darin, die
Rolle des Spielens vollständig zu verändern. Dies betrit zwar, wie er schreibt,
zuerst die Große Pädagogik, da hier alle zu Spielenden werden, die zugleich Stu-
dierende sind; aber auch in der Kleinen Pädagogik verändert sich das Spielen,
wenngleich weniger umfassend. In ihr geht es um eine Demokratisierung des
eaters, die sich daraus ergeben soll, dass Laien als Spielende auftreten, auch
wenn die eatersituation als solche bestehen bleibt. Im Zentrum der Großen
Pädagogik steht dann die, wie Brecht schreibt, „begriene Geste“, deren Haupt-
bestandteil „das imitierende spielen“ sei. In der Kleinen Pädagogik geht dies mit
dem Anspruch der Entfremdung von Vorgängen einher. In der Großen Pädagogik
geht es dann um das Begreifen von Gesten. Spannend ist zudem – und dies ist
ein Gedanke, der im Verlauf der Argumentation wieder aufgegrien wird –, dass
die eaterkonzeption, die der Großen Pädagogik inhärent ist, ein gesamtgesell-
schaftliches, alltägliches und umfassendes eater impliziert, welches sich nicht
zwingend, oder gar nicht auf einer eaterbühne ereignen muss, sondern eine zur
Bühne gewordene Welt markiert. Es ist eine Anordnung, die für Brecht gleichsam
das Verhältnis von eater und Staat exploriert, insofern die begriene Geste, wie
er schreibt, die Handlungsweise des Einzelnen im Verhältnis zum Staat bestimmt.
Mit Blick auf die Frage, inwiefern es sich bei diesen Pädagogien um eine prole-
tarische Pädagogik handelt, lassen sich zwei Gedanken hervorheben. Einerseits
argumentiert Reiner Steinweg (*1939), dass der Lehreekt des Lehrstücks nicht
„aus der Vermittlung einer Lehre resultiert“, sondern das Lehrstück vielmehr ein
„Lehrmittel“ (1972b, S. 108) sei. Als Lehrinhalt für ein solches Lehrmittel, das
mit einer Schultafel gleichgesetzt wird, wird eine materialistische Dialektik für
die proletarische Klasse nahegelegt. Die materialistische Dialektik wird dabei aber
gleichzeitig einer grundsätzlichen Problematisierung unterzogen, insofern Brecht
bestreitet, dass es sich bei einer solchen Dialektik um eine besondere Wissenschaft
handele, die anhand von Beispielen gelehrt werden könne. Stattdessen geht es
Brecht um eine Dialektik, die, wie Steinweg schreibt, als Verhaltens- und Denkme-
thode zwischen eorie und Praxis situiert werden muss,5 und in der, wie es wie-
derum in Brechts „eorie der Pädagogien“ heißt, „die jungen Leute im Spiele Ta-
ten vollbringen, die ihrer eigenen Betrachtung unterworfen sind“ (Brecht, 1971b,
S. 127). Dies wäre ein Verständnis von proletarischer Dialektik im Verhältnis von
eorie und Praxis, das auch in die Pädagogik des Lehrstücks eingeschrieben ist.
5 Gemeint ist, dass sich die Dialektik, um die es hier geht, nicht einfach dialektisch auösen lässt,
d. h. dass die Lehrstücke nicht mit dem Marxismus gleichzusetzen sind, sondern vielmehr die
Methodenlehre des Marxismus zu ihrem Lehrziel machen. Steinweg argumentiert, dass es sich
hier um einen praktischen Begri der Dialektik handelt, der nur in seiner Anwendung als Übung
erworben werden könne (Steinweg, 1972a, S. 109).
doi.org/10.35468/6162-14
摘要:

Klüsener,FerdinandTheaterundRundfunk.ZuihrergestischenErziehungsarbeitbeiBertoltBrecht,WalterBenjaminundJizchakLöwyEngelmann,Christina[Hrsg.];Haberkorn,Tobias[Hrsg.];Miethe,Ingrid[Hrsg.]:ProletarischePädagogik.Verhältnisbestimmungen,historischeExperimenteundKontroversensozialistischerBildungskonzept...

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