Neuhaus & Gödecke, Schulische Unterstützungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Fetalen Al…
betrachtet werden kann (Feldmann, Löser & Weglage, 2007, S. 854f.). In absoluten Zahlen be-
deutet dies, dass in Deutschland jedes Jahr: [5]
etwa 2200 Kinder mit dem klinischen Vollbild des FAS geboren werden. Hinzu kommen mehr
als 4500 Kinder pro Jahr mit partiellem FAS, alkoholbedingten kognitiven Schädigungen
sowie erheblichen Verhaltensstörungen, die überwiegend nicht erkannt oder nicht mit dem
Alkoholkonsum der Mutter in Bezug gebracht werden (Feldmann et al., 2007, S. 854f.). [6]
Zu den kognitiven und verhaltenstechnischen Beeinträchtigungen zählen u.a. Verhaltensauffäl-
ligkeiten (z.B. Aufmerksamkeitsdefizite, Störung des Sozialverhaltens, schwache akademische
Performanz sowie gering ausgeprägte soziale Urteilsfähigkeit) (Tsang, Lucas, Carmichael
Olson, Pinto & Elliott, 2016, S. 2), Defizite hinsichtlich der exekutiven Funktionen (Green et al.,
2009, S. 688) sowie eine Reihe weiterer Störungen. Coriale et al. (2013, S. 360) weisen die
folgenden, diversen Störungen als typisch für FASD aus: Emotionale Dysregulation, Ge-
dächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsdefizite, Psychopathologien sowie – in der Interaktion mit
der Umwelt entstehende – sekundäre Behinderungen. In einigen, besonders schwere Fällen,
können körperliche und/oder faziale Veränderungen festgestellt werden (Landgraf & Heine,
2018), die meist von niedrigen IQ-Werten (zwischen 55 und ca. 70, Juretko, 2007, S. 31; Spohr,
2014, S. 185) begleitet werden. Gleichzeitig weisen ca. 1/3 der FASD-Betroffenen einen durch-
schnittlichen IQ auf (Spohr, 2014, S. 151). [7]
Das Störungsbild FASD ist selbst in der medizinischen Profession wenig präsent (Spohr, 2014,
S. 15), dementsprechend kann vermutet werden, dass die Dunkelziffer von nicht diagnostizier-
ten Fällen vergleichsweise hoch ist (Landgraf & Heine, 2018, S. 24). Die FASD-induzierten
kognitiven sowie behavioralen Abweichungen von Betroffenen manifestieren sich meist erst,
wenn externe Anforderungen die Fähigkeiten des Kindes übersteigen. Für die meisten FASD-
Betroffenen findet dieser Prozess in der Institution Schule statt, sodass die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BzGA, 2019, o. S.) attestiert, dass die ,,vielfältigen körperlichen,
kognitiven und sozialen Einschränkungen […] [in Folge von FASD] oft erst im Schulalter
entdeckt und relevant werden”. Kurzum: FASD ist – hinsichtlich Diagnostik und Kategorisierung
– eine schwierige Thematik, daher unterdiagnostiziert und manifestiert sich meist im Lern- und
Lebensraum Schule. [8]
Ein Blick auf exemplarische Studien, die den Nexus bestehend aus FASD und Schulbiographien
thematisieren, legt nahe, dass Kinder, die zu dieser Gruppe hinzugezählt werden können,
durchaus von verstärkten bzw. gezielteren Inklusionsbemühungen profitieren könnten. So zeig-
ten u.a. Becker und Hantelmann (2013), dass zwischen 50-70% der von ihnen untersuchten
FASD-Betroffenen unter- und/oder abgebrochene Schulbiographien hinter sich haben. Basie-
rend auf einer quantitativ kleineren Erhebung, äußerst Minke (2009) den Verdacht, dass Kinder
mit dem Störungsbild FASD häufig an Förderschulen mit den Schwerpunkten Lernen oder Geis-
tige Entwicklung beschult werden. Basierend auf der mangelnden Thematisierung von FASD in
verschiedenen Professionen, gepaart mit den tentativen Ergebnissen hinsichtlich Schulerfolg
ebendieser Schüler*innengruppe, kann daher konkludiert werden, dass in diesem Themenbe-
reich die Notwendigkeit der (Weiter-)Qualifizierung – nicht nur, aber auch – von Pädagog*innen
besteht (Carpenter, 2011). Wie also muss eine Lernumgebung personell und materiell beschaf-
fen sein, um die Gruppe der FASD-Betroffenen bestmöglich in ihren schulischen Bemühungen
zu unterstützen? Blackburn und Carpenter (2012, S. 39) drücken sich vergleichsweise vage
aus, wenn sie das Idealbild der/des Pädagog*in wie folgt skizzieren: “informed and reflective
practitioners who are equipped with a range of observation and intervention tools to support
their learning and development.” Bereits etwas konkreter formulieren es Riggie und Xu (2013,
S. 61f.), wenn sie zusammenfassend feststellen, dass „[a]dolescents with FASD have identified
their best teachers as those who are knowledgeable about the disability and its impacts on
learning and behavior” und daraus ableiten, dass die zentrale Implikation ihrer Forschung sei