
Johannes Giesinger
Zustände, die von etwas handeln, beispielsweise etwas wünschen oder von etwas überzeugt sein.
Wie man das Verhalten eines Tieres oder eines Menschen versteht, hängt davon ab, auf wel-
cher Stufe der Entwicklung von Intentionalität man dieses Verhalten ansiedelt. So besteht
die Möglichkeit, es ganz ohne Bezugnahme auf intentionale Begriffe zu interpretieren. Be-
trachten wir dazu das Beispiel der Grünen Meerkatzen (Vervetaffen), die sich in der Grup-
pe wechselseitig vor nahenden Gefahren warnen und dazu unterschiedliche Alarmrufe ver-
wenden.2 Je nachdem, ob sich eine Schlange, ein Leopard oder ein Adler nähert, wird ein
bestimmtes Signal ausgestoßen, welches die Artgenossen zu Flucht und verstärkter Wach-
samkeit motiviert. Interpretiert man dieses Verhalten nicht-intentionalistisch, so versteht
man den Alarmruf einer Meerkatze als unmittelbare Reaktion auf einen bestimmten Reiz,
also einen nahenden Leoparden, eine Schlange oder einen Adler. Nun ist diese Reaktion bei
Grünen Meerkatzen offenbar nicht angeboren, sondern muss im Kindesalter erlernt wer-
den, wobei zu Beginn noch viele Fehler passieren. Siedelt man diesen Lernprozesse auf der
vorintentionalen Stufe an, so wird man bei ihrer Beschreibung auf die Verwendung von Be-
griffen wie „wünschen“ oder „glauben“ verzichten. Man wird annehmen, dass die jungen
Tiere erstens zur Wahrnehmung der Gefahrenquellen fähig sind und zweitens zur Wahr-
nehmung der Reaktionen ihrer Artgenossen. Diese nämlich ignorieren die Alarmrufe der
Jungen, wenn sie unangemessen sind. Wenn sich aber tatsächlich ein gefährliches Tier nä-
hert, wird der Alarmruf des Jungtiers von einem Erwachsenen wiederholt. Auf diese Weise,
so könnte man sagen, werden die jungen Affen von den erwachsenen Mitgliedern ihrer
Gruppe auf das richtige Verhalten abgerichtet oder konditioniert. Dies gelingt aber nur, wenn
sie fähig sind, eine Verbindung zwischen den Reaktionen der anderen und den nahenden
Objekten herzustellen. Dieser letzte Punkt wird von Donald Davidson betont, der hier be-
reits eine Form von Triangulation am Werk sieht, obwohl für ihn feststeht, dass diese Affen
nicht über intentionale Zustände verfügen: „[Triangulation] is the result of a threefold inter-
action, an interaction which is twofold from the point of view of the two agents: each is in-
teracting simultaneously with the world and with the other agent“ (1997/2001, S. 128). An-
ders ausgedrückt: „[E]ach creature learns to correlate the reactions of other creatures with
changes or objects in the world to which it also reacts“ (ebd.). Diese unvollständige, vorko-
gnitive und vorsprachliche Triangulations-Beziehung betrachtet Davidson offenbar als Vor-
aussetzung für die Entwicklung umfassender Triangulation.
2Dieses Beispiel entstammt den Feldforschungen von Dorothy Cheney und Robert Seyfarth (1990) und
wurde von Dennett aufgenommen. Auch Davidson (1997/2001, S. 128) nimmt, allerdings in unpräziser
Weise, darauf Bezug. Ein ähnliches Beispiel wird auch vom Neurobiologen Manfred Spitzer (2002, S. 62)
erwähnt, um zu illustrieren, dass Lebewesen sich nach Regeln verhalten können, ohne die Regeln zu
kennen: „Ein visueller Input sorgt bei ihm [dem Affen] regelhaft für einen entsprechenden akustischen
Output“ (ebd.). Damit nimmt Spitzer eine nicht-intentionalistische Beschreibung dieses Verhaltens vor.
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