Giesinger_Liberale_Konzeptionen_freier_Schulwahl_D_A

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Giesinger, Johannes
Liberale Konzeptionen freier Schulwahl
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Bildung und Erziehung 63 (2010) 3, S. 371-386
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10.25656/01:4553
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Johannes Giesinger
Liberale Konzeptionen freier Schulwahl
Summary
The idea of school choice is often discussed as a feature of market-based educational reforms. This pa-
per presents a different perspective on educational choice: Starting from John Rawls’ “Political Libe-
ralism”, political philosophers have developed arguments for choice that are based on the values of in-
dividual autonomy and tolerance. The views of these philosophers, however, diverge in important re-
spects. The main points of dissent which concern the relevance of civic values and individual auto -
nomy – are discussed in this paper. As it is shown in the last section, liberal core ideas might also be
used to form an argument against school choice.
Die Idee der freien Schulwahl wird oftmals als Aspekt einer marktliberalen Reform des Bil-
dungswesens diskutiert.1 Den Kern der marktliberalen Konzeption von Schulwahl bildet
die Vorstellung, Qualität und Effizienz schulischer Bildung könnten durch die Einführung
eines Wettbewerbs unter den Schulen gesteigert werden. Ein Wettbewerb kann nur entste-
hen, wenn den beteiligten Akteuren den Eltern auf der einen, den Schulen auf der ande-
ren Seite gewisse Handlungsspielräume gewährt werden. Den Schulen muss die Freiheit
geboten werden, sich auf dem entstehenden Bildungsmarkt mit attraktiven Angeboten zu
positionieren.2 Den Eltern und ihren Kindern, die als Kunden von Schulen oder Konsumenten
von Bildungsdienstleistungen dargestellt werden, muss die Wahl zwischen unterschiedli-
chen Schulen gewährt werden. Die Konsumenten, von ökonomischer Rationalität geleitet,
werden danach streben, ihren privaten Nutzen zu erhöhen. Private Nutzenmaximierung,
so die marktliberale Annahme, führt zur Erhöhung des Gesamtnutzens in diesem Fall zur
Verbesserung des gesamten Bildungssystems. Unter den Bedingungen des Wettbewerbs
nämlich sind Bildungsinstitutionen zur stetigen Verbesserung ihres Angebots gezwungen,
wollen sie nicht vom Markt gedrängt werden.
Eine Konkurrenzsituation kann bereits dadurch geschaffen werden, dass Eltern die Wahl
zwischen verschiedenen öffentlichen Angeboten ermöglicht wird. Von einem auf das öffent-
liche System begrenzten Konzept von Schulwahl sind diejenigen Modelle zu unterscheiden,
die eine Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Schulen vorsehen oder gar von ei-
ner vollständige Privatisierung des [372] Bildungssystems ausgehen. Ist von einer Privati-
sierung die Rede, so ist damit gemeint, dass Schulen von Privaten geführt, aber nicht not-
wendig, dass sie privat reguliert und finanziert werden. Eine staatliche Finanzierung von Bil-
dung, beispielsweise über sogenannte Bildungsgutscheine (vouchers), stellt sicher, dass auch
ärmere Familien über echte Wahlfreiheit verfügen. Indem auch sie mit Kundenmacht auf
Johannes Giesinger
dem Bildungsmarkt ausgestattet werden, erfährt der Wettbewerb zwischen den Schulen
eine Anregung. Eine staatliche Regulierung hingegen muss als Beschränkung des freien
Wettbewerbs gesehen werden.
In diesem Beitrag soll dem Markt-Modell der freien Schulwahl eine Sichtweise gegen-
übergestellt werden, die in politischen Formen liberalen Denkens wurzelt. Amerikanische
Theoretiker wie Stephen Macedo, William Galston oder Rob Reich beschäftigen sich vor
dem Hintergrund von John Rawls’ Spätwerk Politischer Liberalismus mit bildungspoliti-
schen Fragestellungen. Das Ziel des vorliegenden Beitrags besteht nicht in der Entwicklung
einer Argumentation für oder gegen die Schulwahl, sondern darin, die Debatte darüber von
der einseitigen Ausrichtung auf wirtschaftsliberales Gedankengut zu befreien. Die alternati-
ven Konzeptionen sind mit dem Markt-Modell vereinbar, können aber unabhängig davon
vertreten werden. Sie gehen von der Frage aus, wie mit dem faktisch vorhandenen religi-
ösen, weltanschaulichen, kulturellen und pädagogischen Pluralismus in modernen Gesell-
schaften umzugehen ist. Die Idee der Schulwahl bietet eine mögliche Antwort auf diese Fra-
ge: Demnach sollen Eltern die Freiheit haben, über die schulische Bildung ihrer Kinder ent-
sprechend ihren eigenen Wertvorstellungen zu bestimmen. Der in liberaldemokratischen
Gesellschaften selbstverständliche Pluralismus in der familiären Erziehung soll auf den Be-
reich der Bildungsinstitutionen ausgedehnt werden. Die Toleranz gegenüber unterschiedli-
chen Familienkulturen und Erziehungsstilen soll zu einer Toleranz gegenüber unterschied-
lichen Vorstellungen von Schule und Unterricht ausgeweitet werden. Eine Vielfalt an Bil-
dungsinstitutionen, die auf unterschiedlichen pädagogischen, weltanschaulichen und kul-
turellen Grundlagen beruhen, wäre die Folge einer solchen Politik.
ROB REICH (2007, S. 724) bringt seine Position folgendermaßen auf den Punkt: „Educatio-
nal choice is not merely justifiable but actually morally required in a liberal society. The li-
berty-based arguments are, I believe, the fundamental grounds of educational choice“.
Reich verweist in diesem Kontext auf ein vieldiskutiertes Urteil des Obersten Gerichts der
Vereinigten Staaten aus dem Jahre 1925, welches unter dem Namen Peirce v. Society of Sis-
ters bekannt ist. Darin wurde einer katholischen Gemeinschaft das Recht zur Führung eige-
ner Schulen zugesichert. Reich schreibt dazu:Pierce establishes in law that the liberty inte-
rests of parents in raising their children preclude the [373] state from acting to abolish pri-
vate schools. This constitutes, in effect, the liberty argument in favour of educational
choice“ (ebd.).
Reich sieht also eine moralische Verpflichtung des liberalen Staates, die elterliche Freiheit
der Schulwahl zu schützen. Er lässt offen, ob es sich dabei nur um eine Verpflichtung zur
Nichteinmischung handelt, oder ob der Staat darüber hinaus den Besuch von Privatschulen
finanziell unterstützen soll. Galstons Argumentation, die vom Begriff der expressiven Frei-
heit ausgeht, fundiert lediglich ein Prinzip der staatlichen Nichteinmischung: Eine Person
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Liberale Konzeptionen freier Schulwahl
verfügt über expressive Freiheit in Galstons Sinn, wenn sie nicht durch soziale Beschrän-
kungen daran gehindert wird, ihr Leben in einer Weise zu führen, welche ihre tiefsten Über-
zeugungen ausdrückt (GALSTON 2002, S. 28). Die Erziehung und Bildung eigener Kinder ge-
hört für Galston zu den Bereichen, in denen es für Individuen besonders bedeutsam ist, ihre
eigenen Wertüberzeugungen ausdrücken zu können. Weder Reich noch Galston wird man
Sympathien für staatlich finanzierte Schulwahlprogramme absprechen können.
Die Einwände, die gegen politisch fundierte Konzeptionen freier Schulwahl vorgebracht
werden können, unterscheiden sich zumindest teilweise von den Einwänden gegen die
marktliberale Konzeption. Zum einen ist hier eine Debatte über die empirischen Effekte
freier Schulwahl kaum angezeigt. Die politische Konzeption ist nicht mit der Behauptung
verknüpft, dass Schulwahlmodelle eine umfassende Qualitäts- oder Effizienzsteigerung im
Bildungssystem bewirken. Zum anderen tritt hier die in unterschiedlichen Variationen vor-
gebrachte Kritik gegen die Verbindung von schulischer Bildung mit der Logik des Marktes
in den Hintergrund.
Dagegen erübrigt sich ein anderer Typus von Einwänden nicht ohne Weiteres: Auch in
seiner politischen Ausprägung gibt das liberale Denken den Belangen von Individuen
konkret: von Eltern besonderes Gewicht. Wenn Eltern die Berechtigung erhalten, Schulen
nach ihren eigenen Vorstellungen zu wählen und zu gestalten, so stellt sich die Frage, in-
wiefern dies den Belangen der Öffentlichkeit gerecht wird. Es besteht, so könnte man etwa
sagen, ein öffentliches Interesse an der Heranbildung gesetzestreuer und engagierter Staats-
bürger, welches durch die Privatisierung von Bildungsentscheidungen gefährdet ist.
Weitere Bedenken beziehen sich nicht auf das öffentliche Interesse, sondern die Belange
der Kinder, die durch die Ausweitung der elterlichen Freiheit möglicherweise nicht ange-
messen berücksichtigt werden. Dabei sind insbesondere diejenigen Fälle in den Blick zu
nehmen, in denen Eltern vorrangig das Ziel verfolgen, ihre Kinder auf ihre eigene Weltan-
schauung zu verpflichten. Dieses Bemühen kann dazu führen, dass die Eltern der Ausbil-
dung der Fähigkeit zu selbständigem, kritischem Denken systematisch entgegenwirken.
[374] Ein wesentlicher Unterschied zwischen der marktliberalen und den politischen
Konzeptionen zeigt sich an ihrem Umgang mit diesen Problemen. Das Markt-Modell kann
diesen nur dadurch begegnen, dass es eine Relativierung seines eigenen Wirkmechanismus
durch politische Eingriffe zulässt. Politisch-liberale Konzeptionen hingegen sind in der
Lage, den angesprochenen Problemen mit ihren eigenen theoretischen Ressourcen zu be-
gegnen: Um individuelle Freiheitsspielräume zu sichern, so die Grundidee, müssen Regeln
und institutionelle Arrangements gefunden werden, die von allen mitgetragen werden kön-
nen. Verknüpft mit diesem liberalen Grundgedanken ist die Idee, dass die Akzeptanz die-
ser Grundlagen des Zusammenlebens durch Erziehung und Bildung gefördert werden soll.
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摘要:

Giesinger,JohannesLiberaleKonzeptionenfreierSchulwahlformalüberarbeiteteVersionderOriginalveröffentlichungin:formallyrevisededitionoftheoriginalsourcein:BildungundErziehung63(2010)3,S.371-386BitteverwendenSieinderQuellenangabefolgendeURNoderDOI/PleaseusethefollowingURNorDOIforreference:urn:nbn:de:01...

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