
Werte schulischer Begabtenförderung:
Begabung und Leistung
6
Gabriele Weigand, Olaf Steenbuck, Claudia Pauly, Armin Hackl
Begabung und Leistung
Zur Einführung
Nicht erst seit »PISA, McKinsey & Co« (Münch 2
00
9) fun-
giert »Leistung« als ein zentraler Begri in der Erzie-
hungswissenschaft und als eine Größe, die aus der pä-
dagogischen Praxis und Diskursen über Bildung nicht
wegzudenken ist. Im aktuellen, durch die Schulleistungs-
studien ausgelösten Bildungsdiskurs, ist der Leistungs-
begri jedoch auf dem besten Wege, den Bildungsbegri
auszuhöhlen, ja sogar abzulösen. Die einschlägigen Publi-
kationen der
OECD
, die auch das Bildungsgeschehen in
Deutschland stark dominieren, verdeutlichen, worin die
Qualität von Bildung gesehen wird: Sie misst sich am Out-
put und an der ökonomischen Verwertbarkeit ihrer Resul-
tate. Die Dominanz messbarer, quantizierbarer Leistun-
gen führt geradezu zur Instrumentalisierung der Bildung.
So heißt es in »Bildung auf einen Blick« aus dem Jahre
2003
: »Bildung (…) ist ein Mittel zur Entwicklung des Leis-
tungsvermögens und der sozialen Fähigkeiten des Ein-
zelnen« (
OECD
2003
,
25
).
Eine derart ökonomische Tendenz stand hierzulande nicht
immer im Vordergrund. So hat man sich in den
1960
er bis
1980
er Jahren von einer »demokratischen Leistungsschule«
den Ausgleich herkunsbedingter Nachteile sowie sozi-
ale Gerechtigkeit versprochen (vgl. Sander/Rol/Nunner-
Winkler
1971
). In jener bildungs- und begabungsoptimis-
tischen Zeit galt Leistung als ein Prinzip, das jedem
gleich ermaßen zugeschrieben wurde und das unterstell-
te, dass es von den Angeboten der Schule und den indivi-
duellen Anstrengungen des Einzelnen abhinge, in welcher
Weise seine Begabungen gefördert und welchen Platz er
im sozialen Leben erreichen werde. Begabung heiße Be-
gaben, so die Formel des Erziehungswissenschalers
Heinrich Roth und weiterer Bildungsreformer
(Roth
1952
,
1969). Mittlerweile weiß man aus einschlägigen For-
schungen, dass neben der Umwelt zahlreiche weitere
Faktoren für die Umsetzung von Potentialen in Leistungen
notwendig sind (vgl. etwa das Münchner Hochbegabungs-
modell)
. Überdies haben spätestens die internationalen
Schulleistungsstudien gezeigt, dass soziale Unterschiede
durch die Schule nur teilweise ausgeglichen werden, und
dass Potentiale von Kindern aus bildungsfernen Milieus
weniger beachtet und gefördert werden als diejenigen
aus bildungsnahen Familien.
Trotz dieser Erkenntnisse werden der Begabungsbegri
und der Leistungsbegri, der im Begabungs- und insbe-
sondere im Hochbegabtendiskurs nach wie vor eine zen-
trale Rolle spielt, in vielfältigen Lesarten und Verbindungen
verwendet, die die unterschiedlichen angedeuteten Linien
aus der allgemeinen erziehungswissenschalichen Dis-
kussion widerspiegeln. Gerade im Kontext der Hochbe-
gabtenförderung kommt dabei o eine mehr oder weni-
ger explizite Verbindung von Ökonomie und Pädagogik
zum Ausdruck. Vielfach geht es um die Herausbildung
herausragender Leistungen, um die Hervorbringung von
Leistungsexzellenz – nicht zuletzt vor dem Hintergrund
der Reden um die »Standortsicherung« eines ansonsten
rohstoarmen Landes. Die Förderung von Leistungsexzel-
lenz ist ein zentrales Ziel zahlreicher Begabtenförderpro-
gramme und auch in der Bildungspolitik nicht selten die
Motivation für deren Unterstützung. »Talentförderung –
Expertiseentwicklung – Leistungsexzellenz« heißt eine
von Kurt A. Heller und Albert Ziegler
2007
begründete Rei-
he im
LIT
-Verlag, in deren Band
1
Albert Ziegler betont: