2 Stand der Forschung
Zu Beginn des Kapitels werden zunächst die wirtschaftlichen, politischen und gesell-
schaftlichen Rahmenbedingungen für Frauen und Mütter hinsichtlich der Gestaltung
des Alltags, des Lebenslaufs und die Erwerbsbiografie umrissen. Dafür wird in einer
historischen Rückblende zunächst nachgezeichnet, dass der Übergang von der frühen
Neuzeit zur Industrialisierung eine private und eine Erwerbssphäre hervorbrachte. Zu-
vor wurde im Oikos, dem ganzen Haus, gewirtschaftet. Diese Trennung wirkt bis heute
nach (vgl. Hausen, 2000; Ostner, 1986). Zu nennen sind hier das staatliche Sozialver-
sicherungssystem, das eng mit dem Konzept des Normalarbeitsverhältnisses verbun-
den ist (vgl. Geissler, 1998), sowie geschlechtstypische Segmentierungen des Arbeits-
marktes. Da in der vorindustriellen Gesellschaft die Hausfrau über die Versorgerehe
abgesichert war, wurden weiblich konnotierte Berufe als Zuverdiener(innen)berufe
konzipiert und im Niedriglohnbereich angesiedelt. Bis heute werden Care-Berufe un-
zureichend entlohnt (vgl. Hausen, 2000; Friese, 2015).
Anschließend werden politische Leitbilder und Maßnahmen aufgegriffen, die im-
plizit oder explizit Bezug auf Geschlechterrollen nehmen (vgl. Meier-Gräwe, 2018).
Diese vermögen es nicht nur, das Alltagsgeschehen zu steuern, sondern auch gesell-
schaftliche Normen zu prägen (vgl. Boll, 2017). Derzeit bestehende politische Leitbil-
der und Maßnahmen sind inkonsistent, denn sie zielen zum Teil darauf ab, Sorgearbeit
leistende Personen in die Erwerbsarbeit zu integrieren. In der Folge können diese ihre
eigenen Ressourcen ausbauen und gewinnen an wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Zu
nennen sind hier etwa das Elterngeld- und Elternzeitregime, das dazu anreizt, Erwerbs-
ausstiege nach der Geburt eines Kindes zu begrenzen und zwischen den Eltern aufzu-
teilen. Doch daneben stehen Maßnahmen im Steuer-, Sozial- und Arbeitsrecht, die zur
Arbeitsspezialisierung anregen, wie etwa das Ehegattensplitting. Insgesamt werden
Eltern damit widersprüchliche Anreize dabei gegeben, ihre Arbeitsteilungsmuster aus-
zugestalten (vgl. Meier-Gräwe, 2022).
An diese Darstellungen schließen sich im Kapitel solche an, die aktuelle gesell-
schaftliche Geschlechterkonstruktionen und geschlechtstypische Rollenzuschreibun-
gen thematisieren. Dabei zeigt sich, dass solche in die Funktionsweise von milieuspe-
zifischen und miteinander verbundenen Institutionen integriert sind und derart die
Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und die soziale Ausgrenzung von Frauen
reproduzieren (vgl. Koppetsch, 2001). Weiter werden aktuell in der Gesellschaft vor-
herrschende Mütterbilder aufgegriffen (vgl. WZB, 2018; Wippermann, 2016, Diabté
et al., 2017; Giesselmann, 2018). Nach wie vor wird die Mutterrolle stark überhöht
und verlangt in der Elternschaft ein größeres Engagement von Müttern als von Vätern
mit Folgen für die Erwerbsbiografie:
Die Erfüllung im Beruf und die damit verbundene Autonomie konkurriert mit der Erfül-
lung in der Mutterrolle und der damit verbundenen Zurückstellung der eigenen Bedürf-
nisse. (Diabté et al., 2017, S. 25).