
Heyting:Zur Anschlussfähigkeit der Allgemeinen Erziehungswissenschaft99
FriedaHeyting
Beobachtungen zur internationalen
Anschlussfähigkeit der Allgemeinen
Erziehungswissenschaft in Deutschland
Zusammenfassung:Bei der Evaluation der Erziehungswissenschaft spielt immer auchdie Frage nach
der internationalen Anschlussfähigkeit ihrer Fragestellungen,Inhalte,Methoden,Praxisbezüge etc.ei-
ne wichtigeRolle. Der Beitraggeht von der Theseaus,dass die Allgemeine Erziehungswissenschaft in
Deutschland ihrem Bemühen umdie Explikation des ‚Allgemeinen‘ dieser Disziplin nicht nur unter
Bezugnahmeaufdisziplininterne, sondernauch-externe Felder (Philosophie,Sozialwissenschaften)
nachgeht.Diese sehr breite,Disziplinen verbindende Orientierung ist so in der anglo-amerikanischen
Erziehungsphilosophie nicht anzutreffen, wobei wichtigeUnterschiede zwischen der britischen und der
us-amerikanischenDiskussionslandschaft bestehen.Vor diesem Hintergrund werdeneine Reihe von
wichtigen Differenzen,Gemeinsamkeiten und Perspektiven deutscher Allgemeiner Erziehungswissen-
schaft und ähnlichgelagerter anglo-amerikanischer Diskurseherausgearbeitet.
EvaluativeUrteile über dieForschungsleistungen einer Disziplinargumentieren,impli-
zit oder explizit,immer komparativ:Ob nach der Frequenz und Zitierhäufigkeit von
Publikationenoder nachder Summe von Drittmitteln gefragt wird,erst durchdenVer-
gleich wirdder deskriptiveBefund zu einem Qualitätsurteil. Es verwundert deshalb
nicht,dass auch über diekognitiven Leistungen der Disziplin in evaluativer Absicht ver-
gleichend argumentiert wird, sodass die Erziehungswissenschaft amMuster anderer
Disziplinen in Deutschland oder anaußerdeutschen Exempelnpädagogischer Wissen-
schaften gemessen wird. Allerdings,der Vergleichführt im Ergebnis hier nur zu Diffe-
renzbehauptungen und -befunden, z.B. über die disziplinäreStruktur oder die kommu-
nikativePraxis.Qualitätsurteile sind damit nochnicht begründet,es sei denn,dass Dif-
ferenzbefunde kurzschlüssig zu Defizitbehauptungen umgedeutet werden.Aber das ist
eine Option,die von falschenPrämissen ausgeht, z.B. von der Annahme,dass es welt-
weit nur ein einziges Modell von Erziehungswissenschaft geben kann, sodass Abwei-
chungen vom Standardauchals Defizit charakterisiert werden können. Soleicht darfes
sichEvaluationaber nicht machen.
IndenfolgendenÜberlegungen zuminternationalenStatus der deutschenErzie-
hungswissenschaft wird deshalbamBeispiel der sog.„Allgemeinen Erziehungswissen-
schaft“,dem vermeintlich signifikantesten Exempel für das „deutsche Syndrom“
(Schriewer 1983)der Erziehungswissenschaft die Frage weiter diskutiert,ob und wie
sichaus demVergleichevaluativeUrteile über das Fachbegründen lassen.Das geschieht
nicht in der Absicht,ein Normalmodell zu propagieren,aber doch unter der als Quali-
tätsurteil formulierbaren Erwartung,dass auch die deutsche Erziehungswissenschaft in-
ternationalkommunikationsfähig sein sollte. Das Kriterium,das hier expliziert werden
soll,heißt deshalbauch nicht Anpassung anein fiktives Normalmodell, sondern „An-
schlussfähigkeit“. Damit wird die Tatsache akzeptiert,dass auch sozialwissenschaftliche
Z.f.Päd – 50.Jahrgang 2004–Heft 1